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Entstehung:
1598-1602
Buchhändlerregister:
7. Februar 1603
Erste Veröffentlichungen:
1609 1. Quarto (zwei Ausgaben)
1623 im Ersten Folio
Erste Aufführungen
Aufführungen im frühen 17. Jahrhundert nicht zuverlässig bekannt.

Informationen

Troilus und Cresida

,,Troilus und Cressida" ist das merkwürdigste von Shakespeares Dramen.

Der Barde baut hier auf dem geweihten Grunde der alten homerischen Heldenstadt, und wir wundem uns, daß er so ganz anders baut als die alten Griechen...

Es entsteht kein Renaissancepalast, sondern ein reich verzierter gotischer Festsaal mit allerlei wunderlichem Rankenwerk und seltsam karikierten Figuren an der Stelle des alten Griechentempels.

Nicht das antike Volksepos hat sich Shakespeare zum Vorbild genommen sondern den mittelalterlichen Ritterroman. Bei Homer finden sich ja nicht mehr als die Namen der beiden Hauptfiguren: Troilus, den der alte Priamus unter seinen Söhnen erwähnt und Chryseis, die Magd Agamemnons, wegen deren Rückgabe an ihren Vater schließlich der Zorn des Achilles entbrannt war.

Erst etwa im 6. Jahrhundert, da die Barbaren sich auf des römischen Reiches Trümmern eingenistet hatten, tauchte ein Buch auf, das vorgab, eine Beschreibung des Trojanischen Krieges von einem Mitkämpfer, dem Phvgier Dares zu sein.

In diesem rohen, krausen Machwerk glaubten die Völker des Mittelalters einen Schatz uralter Überlieferung zu besitzen, und der Umstand, daß Dares auf Seiten der Trojaner gekämpft hatte, auf die ja nach Vergils Vorgang die neuen Staaten ihre Herrschergeschlechter zurückleiteten, sicherte ihm Sympathie und Verbreitung. Der ganze Krieg ist hier entstanden, weil Hesione, die Schwester des Priamos, von Telamon geraubt worden war: Paris vergalt nur Gleiches mit Gleichem, als er nun seinerseits Helena entführte.

Kalchas ist von Geburt Trojaner und zu den Griechen übergegangen, weil er den Untergang seiner Vaterstadt vorausgesehen hat.

Der Grund für die Tatenlosigkeit des Achilles ist seine Liebe zu Polyxena, der Tochter des Priamus. Der trojanische Hauptheld neben Hector ist Troilus, der mit Diomedes kämpft und von Achilles getötet wird.

Im zwölften Jahrhundert hat daraus der Hofdichter Heinrichs II. von England, der Meister Benedict von St. More einen großen französischen Ritterroman gemacht voll bunten Farbenglanzes und inniger Seelenzeichnung, mit gleicher Liebe das Große wie das Kleine behandelnd. Der romantische Dichter, der sein Werk der vielgeliebten Königin Eleonore widmete konnte der Minne nicht entbehren und erfand deshalb eine Liebesgeschichte. Troilus, der Königssohn, ist von glühender Liebe erfüllt zu Brisea, der in Troja zurückgebliebenen Tochter des Kalchas.

Da soll sie bei den Verhandlungen über die Auswechselung des gefangenen Antenor auf ihres Vaters Bitte diesem herausgegeben werden. Nach schmerzlichem Abschied gibt Troilus seiner Braut noch Geleit vor die Stadt. Diomedes und andere Griechenfürsten nehmen die Trauernde in Empfang. Doch bald weiß der in Liebessachen wohlgeübte Diomedes sich bei ihr einzuschmeicheln, bis sie ihm schließlich ihre Neigung zuwendet. Wilder Schmerz und Zorn erfassen den armen Troilus, als er die Falschheit der von ihm so heiß Geliebten erfährt. Er verwundet den Diomedes in der Schlacht, läßt ihn aber ziehen, weil er nicht mit ihm um Briseis kämpfen wolle.

Hier ist also die Geschichte der beiden Liebenden schon in ihren Grundzügen niedergelegt, so wie wir sie noch bei Shakespeare finden.

Von Benedict übernahm den ganzen Trojaroman ein Jahrhundert später der gelehrte Guido da Colonna, Richter zu Messina und sicherte ihm durch Übertragung in recht schwülstige lateinische Prosa die weiteste Verbreitung.

Wieder hundert Jahre später greift Boccaccio die Troilus-Geschichte auf und formt daraus mit aller Kunst der Frührenaissance sein episches Gedicht ,,Filostrato".

Statt des Namens Briseis setzt er den bei Homer damit verbundenen Namen der Chryseis ein, die ja, ebenfalls die Tochter eines auf trojanischer Seite stehenden Priesters, vom Vater zurückgefordert wird, wie die Brisea bei seinen Vorlagen, Benedict und Guido. Der Ausgang ist jetzt tragisch: Troilus, von Verzweiflung gepackt, sucht und findet den Tod von der Hand des Achilles. Die wichtigste Neuerung ist aber die, daß dem Troilus ein sorgender Freund, Pandarus, beigegeben wird.

Den ,,Filostrato" bearbeitet der größte englische Dichter des 14. Jahrhunderts, Chaucer, zu einem kleinen Versroman von Troilus und Cryseide, mit einer köstlichen Naivität, aber zugleich mit dem Humor des Welt- und Menschenkenners. Pandarus, bei Boccaccio der Vetter der Cryseida, ist hier zu ihrem Onkel geworden, einem alten Junggesellen voll lustiger Schnurren und kluger Sprichwörter, der ein wenig kuppelt, weil ihn sein gutes Herz dazu treibt. Cryseide schenkt ihre Liebe dem Diomedes, als dieser von Troilus verwundet ist. Und es tut ihr auch gleich nachher herzlich leid. Alles ist dem großen Humoristen so begreiflich und entschuldbar. Aber nach ihm kamen kleinere Menschen mit engerem Herzen und härterem Urteil.

Man sinnt eine Strafe für die Übeltäterin aus, wie sie das Sittengesetz verlangt, und läßt keine Gnade walten. Ein schottischer Schulmeister, Robert Henryson hat die Geschichte der Cryseide nach dem Tode des Troilus fortgesponnen und zeigt sie seinen Lesern als elendes Bettelweib ihr sündhaftes Leben beklagend., Dieses ,,Testament der Crel Seide" wurde so allgemein bekannt, daß man es in Shakespeares Zeit sogar in die Ausgaben von Chaucers Werken als notwendige Ergänzung seiner Dichtung aufnahm. So erhält das 16. Jahrhundert seine Vorstellung von Cressida als verworfenem Geschöpf und Pandarus, dessen Name sogar zum Gattungswort, pandar, geworden ist, als gewerbsmäßigem Kuppler.

Auch die anderen Teile von Guido da Colonnas ,,Historia Troiana" werden in englischer Sprache verbreitet. Chaucers fruchtbarer Schüler John Lydgate hat die ganze Geschichte etwas wortreich, mit viel Detail, aber im allgemeinen mit dichterischem Blick in seinem ,,Troye-Book" nachgedichtet; William Caxton druckt als erstes englisches Buch (wohl 1474) seine Übersetzung der ,,Sammlung der Geschichten von Troia" die der Kaplan Philipps des Guten von Burgund, Raoul le Fevre in französischer Prosa Guido nacherzählt hatte. Beide Bücher Lydgate sowohl wie der oft wieder aufgelegte Caxton waren Shakespeare bekannt und boten ihm viele Einzelheiten).

So sah Shakespeare den Trojanischen Krieg nur in einem sonderbar romantischen Kostüm, gänzlich losgelöst von der griechischen Welt, die ihm sein Plutarch oder seine lateinischen Schulschriftsteller zeigten. ,,Troilus und Cressida" ist ebensowenig ein Griechendrama wie der ,,Sommernachtstraum": In beiden Stücken haben wir Chaucers Gestalten, nicht die der Antike.

An eine Parodie hat Shakespeare ebensowenig gedacht wie Lydgate oder Chaucer vor ihm; aber der romantische Stoff hatte für ihn nichts Heiliges.

Und da die ganzen Sympathien des Mittelalters auf trojanischer Seite waren, so kommen natürlich die griechischen Herren und Ritter schlecht weg.

Hector ist der edle Held:nicht der zwar tapfere, aber stolze und grausame Achilles. Ajax, der große Telamonier, wird zu einem dummen rohen Klopffechter, da man den Gegensatz zwischen ihm uni Ulysses, der in Ovids ,,Metamorphosen" (XIII) bei ihrem Streit um Achilles Waffen betont wird, weiter ausbaut. Wir dürfen hier die Schule nicht vergessen, wo ja die ,,Metamorphosen" als Hauptlehrbuch die jugendliche Phantasie erfüllten.

Sicher waren Ulysses als der kluge Kleine und Ajax als der dumme Große bei den Schülern in Shakespeares Zeit wohlbekannte Typen. Die Großen wehrten sich dann dadurch, daß sie den aus der Oviderklärung des Lehrers bekannten feigen Kläffer Thersites als Vertreter der klugen Schwächlinge hervorkehrten, der sich bei Homer die Schläge des Ulysses als Antwort auf sein Schimpfen gefallen lassen muß.

Neben dem Gegensätze von Ulysses zu Aias entsteht so auf dem Schulhofe ein zweiter von Ajnz zu Thersites, von Dummkopf zu Feigling. So ist der Charakter des Thersites als Schulwitz schon im Anfang des 16. Jahrhunderts bekannt gewesen, und 1537 ist er zum burlesken Titelhelden einer englischen Posse geworden, die ihre pädagogische Tendenz nicht verleugnet. Man kann deshalb aus dieser Figur nicht schließen, daß Shakespeare die ,,Ilias" gekannt habe. Einen anderen Grund aber haben wir für diese Annahme nicht.

Es gab eine ältere Übersetzung der zehn ersten Bücher von Arthur Hall (1581), und 1598 waren sieben Gesänge der ,,Rias" in der neuen Übertragung von Chapman erschienen, darunter auch der zweite, der die Thersites-Episode enthält. Shakespeare führt seine Helden nach der volkstümlichen Tradition seiner Zeit ein: Agamemnon als würdigen Herrscher, Nestor als etwas gesprächigen alten Ritter, Ulysses als weisen Staatsmann und schlauen Menschenkenner, Achill als stolzen Verächter seiner Genossen und grausamen Krieger, Patroclus als den knabenhaften verwöhnten Liebling des Achill, Menelaus als passive Zielscheibe der beliebten Hahnreiwitze, Ajax als Ochsen und Thersites als Köter.

In Troja ist Hector der ehrliche, tapfere Held, Paris der verliebte Ehemann, Troilus der begeisterte Jüngling, Arieas der edle Ritter, Helenus der friedfertige Priester. Dazu kommen die trojanischen Frauen, die wahnsinnige Seherin Cassandra, die schone Prinzessin Helena, die besorgte Gattin Hectors, Andromache, und schließlich die kokett leichtsinnige Cressida.

Am meisten stört uns die Änderung im Charakter des Achilles: daß er rasend im Zorn und grausam gegen Hectors Leiche war, hatte Homer schon erzählt; die mittelalterlichen Schriftsteller berichteten, daß er Hector tötete, als diesem der Helm entfallen war.

Aber erst bei Shakespeare läßt er sich von seiner Wut so weit hinreißen, daß er gegen alle Ritterehre mit seinen Myrmidonen den unbewaffneten Hector erschlägt. Shakespeare zeichnet, wie so oft, stärkere Schatten als seine Vorlage.

Die bittere, stellenweise pessimistische Stimmung rückt das Drama in die Nähe von ,,Ende gut, alles gut" und ,,Maß für Maß". Man muß sagen, daß der Tenor von der Erbärmlichkeit und der Undankbarkeit der Menschen, der aus Ulyeses spricht (III,3) erheblich "über das heinaus geht, was seine Rolle erforderte.

Das Stück wird im deutschen Sprachraum nicht häufig gespielt.

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