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Entstehung:
1593-1603
Buchhändlerregister:
8. November 1623
Erste Veröffentlichungen:
1623 im Ersten Folia
Erste Aufführungen
Aufführungen im frühen 17. Jahrhundert nicht zuverlässig bekannt.

Informationen

Ende gut, alles gut

Kaum ein anderes Drama Shakespeares setzt der Datierung solche Schwierigkeiten entgegen wie ,,Ende gut, alles gut": Von frühen Aufführungen ist uns nichts bekannt, Anspielungen von Zeitgenossen besitzen wir ebenfalls nicht, dazu weist das Stück ganz offenbare Widersprüche im Stil auf, die es einerseits zu den Jugendkomödien, anderseits neben den ,,Hamlet" stellen könnten.

Wir haben Partien voll Marloweschen Schwulstes und zahlreiche gereimte Reden, wo kein besonderes Pathos zur Erklärung dient, neben Stellen, die den Dichter auf der Höhe seiner Kunst zeigen, wo Gedanken und Worte von Vers zu Vers fließen wie in Hamlets Monologen.

Das ist zuerst von Coleridge ausgesprochen worden, den ein äußerst feines Stilgefühl auszeichnete. Und er hat zur Erklärung eine Ansicht von Farmer herangezogen, dem Verfasser einer berühmten Broschüre über "Shakespeares Bildung" (1767): ,,Ende gut, alles gut! sei nichts anderes als das unbekannte Lustspiel ,,Gewonnene Liebesmüh", das in der Dramenliste von Francis Meres, 1598, neben der ,,Verlorenen Liebesmüh" angeführt wird - natürlich in einer späteren Überarbeitung.

Der Titel ,,Love's Labour's Won" hat nur einen Sinn als Gegensatz zu dem besser alliterierenden ,,Love's Labour's Lost"; es muß also nach diesem Stück entstanden sein. Die italienischen Namen, die Shakespeare eingesetzt hat - Diana Capulet ,,entsprossen von den alten Capulet" (Akt V, SZ. 3, Vers 160) und Escalus beweisen, daß ihm die Geschichte von Romeo und Julia im Kopf herumging. Beides weist etwa auf das Jahr 1593.

Dagegen verbindet derselbe Name Escalus sowie die ganze freudlose Stimmung das Stück auch mit ,,Maß für Maß" und stellt es neben ,,Hamlet", also etwa in das Jahr 1602 oder 1603. Shakespeare hätte dann das Lustspiel ungefähr zehn Jahre nach seiner Entstehung neu bearbeitet.

Die Quelle bildete eine Erzählung aus Boccaccios ,,Decamerone", die William Painter in seiner Novellensammlung .,Palace of Pleasure", 1567, übersetzt hatte. Sie handelt von Giletta von Narbonne, der hinterlassenen Tochter eines Arztes im Hause des Grafen von Roussillon, die sich in den jungen Grafen, Beltramo mit Namen, ihren einstigen Spielgefährten sterblich verliebt.

Da Beltramo nach seines Vaters Tode am Hof des Königs von Frankreich erzogen wird, trachtet Giletta mit allen Kräften, auch dahin zu kommen. Sie hat nicht nur den Reichtum ihres Vaters, sondern auch seine Kunst geerbt. Als daher der König an einer Fistel schwer erkrankt ist und die Ärzte keinen Rat wissen, macht sich Giletta auf nach Paris und erbietet sich, ihn zu heilen. Als Lohn will ihr der König einen Gatten bestimmen; sie aber fordert, ihn selbst auswählen zu dürfen - natürlich unter Respekt vor dem königlichen Blute. Die Heilung gelingt, und Giletta verlangt Beltramo zum Gemahl. Ungern erfüllt der König sein Versprechen und befiehlt Beltramo, Giletta zu heiraten und mit ihr nach seiner Grafschaft zurückzukehren. Der adelsstolze Jüngling weist dies als eine Beleidigung zurück, muß sich aber dem Befehl des Königs fügen. Doch vor dem Beilager schickt er seine Gemahlin nach Roussillon und reist selbst heimlich nach Toskana, um dort an den Kämpfen der Florentiner gegen die Sienesen teilzunehmen.

Während Giletta allein die Grafschaft trefflich verwaltet, erhält sie Bescheid von Beltramo, er werde nur zu ihr zurückkehren und sie anerkennen, wenn sie seinen Ring am Finger und ein Kind von ihm auf dem Arm trage. Darauf verläßt sie ihr Land und reist in Pilgerkleidung nach Florenz. Dort erfährt sie, daß ihr Gatte in ein armes Edelfräulein, die Tochter einer Witwe, verliebt ist. Sie erreicht, daß sie selbst ihm statt jener untergeschoben wird und auch den Ring von seinem Finger erhält. Bald darauf kehrt Beltramo in seine verwaiste Grafschaft zurück, Giletta aber wartet in Florenz ihre Niederkunft ab und bringt Zwillingsknaben zur Welt, die beide des Vaters getreues Abbild sind. Dann reist sie auch nach RoussilIon und bittet ihren Gatten, sein Versprechen zu halten, da sie die Bedingungen erfüllt habe.

Als Shakespeare daran ging, diese Novelle in ein Schauspiel zu verwandeln, nahm er wie gewöhnlich die Disposition aus seiner Quelle herüber und folgte dieser von Anfang an. Nur den Schluß zwang ihn die dramatische Konzentration abzuändern: daß Giletta ihrem Gatten mit Zwillingen auf den Armen entgegentritt, hätte natürlich auf der Bühne komisch gewirkt und durfte deshalb nicht beibehalten werden. Shakespeare hat vor allem die Gestalt der Helena aufs sorgfältigste ausgeführt. Diese Frau interessierte ihn, die, noch energischer als seine Portia im ,,Kaufmann von Venedig", mutig die Zügel ihres Schicksals in die Hand nimmt und über alle Hindernisse hinweg zum Ziele gelangt, und die bei all dem doch so rein weiblich bleibt, daß sie sich sogar jenem mittelalterlichen Frauenideal nähert, das Shakespeare aus Chaucers Dichtung kannte, der edlen Dulderin Griseldis.

Auch dort wird das Mißverhältnis des Standes durch die demütige, vor keinem Opfer zurückschreckende Liebe des armen Weibes schließlich aufgehoben. Auch dort ist der Trost ,,Ende gut, alles gut". So macht Shakespeare auch Helena arm, im Gegensatz zu seiner Vorlage: Schönheit und kluger Sinn samt den vom Vater ererbten Kenntnissen sind ihr einziger Besitz. Trotzdem sich äußerlich das Verhältnis umgedreht hat, indem die Frau um die Hand des Mannes freit, bleibt Helena stets das liebend gehorsame Weib, dem des Gatten Wunsch als oberstes Gesetz gilt.

Eine Bürgschaft dafür, daß sie bei dem Streben sich den Mann zu erringen, nie die Grenze keuscher Weiblichkeit überschreitet, leistet die von Shakespeare frei hinzugedichtete edle Matronengestalt der alten Gräfin: wenn Helena die kluge, treffliche Mutter Bertrams auf ihrer Seite hat, dann können wir sicher sein, daß ihre Sache gut ist. Und dazu hilft auch noch der prächtige aIte Laferr, der die Welt kennengelernt hat und mit der überlegenen Ironie des Verständigen sich nicht scheut, seine Meinung offen herauszusagen. Die beiden, die alte Gräfin und Lafeu, haben viel Ähnlichkeit mit Volumnia und Menenius, der Mutter und dem alten Freunde Coriolans. Auch der König, von vorurteilslosem Gerechtigkeitssinn erfüllt, gehört zu dieser Gruppe, die die Weisheit des Alters der unreifen und wohl schon verderbten Jugend gegenüberstellt.

Es ist, wie wenn der Dichter selbst enttäuscht wäre über die junge Generation.

Ein feiger Wortheld mit dem bezeichnenden Namen Parolles ist das Produkt dieser bitteren Stimmung Shakespeares.

Man hat Parolles öfters mit Falstaff zusammengestellt, weil sie beide als Soldaten im Felde eine ähnliche Rolle spielen, weil ihre ganze Tapferkeit durch einen fingierten Oberfall ihrer Kameraden kläglich ans Tageslicht gebracht wird und weil sie das, was ihnen an Courage abgeht, durch desto kräftigeres Lügen zu ersetzen suchen. Und doch, welcher Unterschied im Standpunkt des Dichters. Während Falstaffs unverwüstlicher Humor uns mit aller Schwäche des Fleisches versöhnt, ist Parolles nur die nackte menschliche Gemeinheit, mit der wir keine Teilnahme empfinden können, der feige kläffende Köter, dem man die Prügel gönnt. Er ist aus derselben Gemütslage herausgewachsen wie der Thersites in ,,Troilus und Cressida".

All seine Sympathie hat Shakespeare seiner Helena geschenkt, so daß für ihren jungen Gatten herzlich wenig übriggeblieben ist. Um Helena noch lieblicher und demütiger zu machen, wird Bertram härter und egoistischer als in der Novelle: wie er seine ihm eben angetraute Gemahlin verläßt, verlangt er noch von ihr sie solle seine plötzliche Abreise beim Könige mit irgendeinem erfundenen Grunde entschuldigen. Und sie gehorcht ihm, denn ihre Liebe ist größer als seine Härte.

Er bewährt sich als tapferer Edelmann vor dem Feind und wird doch aus Feigheit zum Verleumder, da ihm eine Frau als Klägerin gegenübersteht. - Shakespeare hat die Erkennungsszene anders gestaltet als Boccaccio, offenbar um einen reicheren Abschluß zu haben.

So verdoppelt er das Ringmotiv, indem Helena auch ihrerseits dem Gemahl, als sie sich ihm in Florenz unerkannt hingab, einen Ring geschenkt hat. Diesen Ring hatte ihr der König aus Dankbarkeit für seine Rettung gegeben. Aber in der Szene, wo der König dieser Dankbarkeit Ausdruck gibt, der dritten des zweiten Akts, wird dieser für die Schlußhandlung so wichtige Ring gar nicht erwähnt. Augenscheinlich haben wir es mit einem späteren Einfall des Dichters zu tun.

Nun tritt auch die Dame, die Bertram in Florenz verehrt hatte, mit ihrer Mutter auf, nur um die Spannung am Schluß noch zu erhöhen und den Effekt beim Eintritt von Helena vorzubereiten. Dadurch aber kommt Bertram in eine viel schwierigere Situation als in der Novelle und verstrickt sich jetzt in ein klägliches Lügengewebe. Es sieht aus, als gehe dieser später hinzugefügte Schluß über Shakespeares ursprüngliche Absicht hinaus, als habe er ihn auf den Rat eines Freundes, vielleicht eines Theaterkollegen, der eine sensationelle Schlußszene wünschte, so gestaltet.

Für das Stück war das verhängnisvoll.

Das Verhältnis von Bertram zu Helena ist wohl ähnlich dem von Claudio zu Hero in ,,Viel Lärm um nichts", aber Bertrams Charakter kommt noch viel schlechter weg als der Claudios, und zwar ohne daß ihn deswegen ein direkter Tadel des Dichters träfe.

Dadurch geht aber die Wirkung des Dramas verloren: verwirrend wie unbefriedigend der sittliche Standpunkt des Dichters.

Das Stück ist bei uns nicht häufig gespielt worden.

Die Übersetzung stammt von Wolf Graf Baudissin (1832).

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