Neunte Scene.
Der Kerkermeister zu den Vorigen.
Herzog.
Er ist ungeschikt zum Leben und zum Sterben: es ängstiget
mein Herz! aber es muß seyn - - Geht ihm nach, ihr Leute,
und führt ihn zu dem Blok.
Kerkermeister.
Nun, mein Ehrwürdiger Herr, wie findet ihr den Gefangnen?
Herzog.
Unbereitet und untüchtig zum Sterben; ihn in der Gemüthsfassung
worinn er ist, in die andre Welt zu schiken, wäre verdammlich.
Kerkermeister.
Diesen Morgen, Vater, starb hier im Gefängniß an einem
hizigen Fieber ein gewisser Ragozin, ein sehr berüchtigter
Räuber, ein Mann von Claudios Jahren; Bart und Haar völlig
von der nemlichen Farbe; wie wenn wir diesen Ruchlosen gehen liessen,
bis er sich besser anläßt, und den Statthalter mit
Ragozins Haupt befriedigten, der dem Claudio ähnlicher sieht?
Herzog.
O, diß ist ein Zufall, den uns der Himmel geschikt hat;
nur hurtig zur Ausführung geschritten; die von Angelo bestimmte
Stunde rükt heran; sorget davor, daß alles seinem Befehl
so gemäß eingerichtet werde, daß er den Tausch
nicht merken könne; indessen daß ich mich bemühen
werde, diesen rohen Unglükseligen zum Tode willig zu machen.
Kerkermeister.
Es soll alles sogleich geschehen, mein guter Vater; aber Bernardin
muß diesen Nachmittag sterben; und wie sollen wir den Claudio
länger hier behalten, ohne daß ich in Gefahr komme,
wenn es bekannt wird daß er noch lebt?
Herzog.
Bringet Claudio und Bernardin jeden in irgend einen geheimen Enthalt;
eh die Sonne zweymal untergegangen seyn wird, sollt ihr von eurer
Sicherheit durch den Augenschein überzeugt werden.
Kerkermeister.
Ich gehorche euch mit Vergnügen.
Herzog.
Schnell, beschleunigt euch, und schiket dem Angelo den Kopf.
(Kerkermeister geht ab.)
Nun will ich dem Angelo neue Briefe zufertigen, aus denen er
ersehen soll, daß ich nahe bey der Stadt bin, und daß
wichtige Ursachen mich verbinden, einen öffentlichen Einzug
zu halten; ich will ihm darinn befehlen, mir eine halbe Stunde
weit vor der Stadt bis zum heiligen Brunnen entgegen zu gehen:
Von da soll sich dann, nach der geheimen Veranstaltung, die wir
machen werden, ein Umstand nach dem andern entfalten; und Angelo,
in die Unmöglichkeit gesezt, sich loßzuwinden, soll
sich selbst das Urtheil sprechen.
Der Kerkermeister kommt.
Kerkermeister.
Hier ist der Kopf; ich will ihn selbst hintragen.
Herzog.
Es ist das sicherste; beschleunigt eure Rükkunft, denn ich
habe euch Sachen zu eröffnen, die keine andre Ohren brauchen
als die eurigen.
Kerkermeister.
Ich will so hurtig seyn als ich kan.
(Geht ab.)
Isabella ruft hinter der Scene.
Herzog.
Das ist der Isabella Stimme - - Sie kommt sich zu erkundigen,
ob ihres Bruders Begnadigung angelangt sey. Aber ich will ihr
das Beste noch verhalten, damit sie desto angenehmer davon überraschet
werde, wenn sie es am wenigsten erwarten kan.
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