Eilfte Scene.
Warwik, Glocester und Clarence kommen wieder.
König Heinrich.
Warwik! Glocester! Clarence!
Clarence.
Ruft der König?
Warwik.
Was befiehlt Eu. Majestät? wie befindet Sie sich?
König Heinrich.
Warum ließt ihr mich so allein, Milords?
Clarence.
Gnädigster Herr, wir liessen den Prinzen meinen Bruder hier,
welcher sich sezen, und neben Eu. Majestät wachen wollte.
König Heinrich.
Den Prinzen von Wales? Wo ist er? laßt mich ihn sehen.
Warwik.
Hier ist eine Thür offen, er muß da hinausgegangen
seyn.
Glocester.
Er gieng nicht durch das Zimmer, wo wir warteten.
König Heinrich.
Wo ist die Crone? Wer nahm sie von meinem Küssen.
Warwik.
Wie wir uns weg begaben, Gnädigster Herr, war sie noch da.
König Heinrich.
Der Prinz hat sie also weggenommen? Geht, sucht ihn auf. Ist er
so ungeduldig, daß er meinen Schlaf für meinen Tod
ansieht? Sucht ihn, Milord von Warwik, und schmählt ihn unverzüglich
her. (Warwik geht ab.) Dieser Zug seiner Gemüthsart
vollendet die Würkung meines Uebels, und beschleunigt meinen
lezten Augenblik. Seht, Söhne, was für Dinge ihr seyd!
Wie leicht sich die Natur zum Abfall bringen läßt,
wenn Gold der Versucher ist! Für diß haben närrische
sorgenvolle Väter ihren Schlaf mit Nachsinnen unterbrochen,
ihr Gehirn mit Sorgen erschöpft, ihre Gebeine mit Arbeit
entkräftet; für diß, für diesen Dank haben
sie Tag und Nacht darauf gedacht, ihre Söhne durch Künste
und martialische Uebungen zu bilden, für diß haben
sie mit so vieler Mühe Gold auf Gold gehäuft. Gleich
der Biene flattern wir von Blume zu Blume, saugen ihre besten
Düfte aus, und wenn unsre Beine mit Wachs und unsre Lippen
mit Honig beladen sind, tragen wir's in den Stok; und wie Bienen,
werden wir für unsre Müh getödtet. Bittrer Gedanke
für einen sterbenden Vater! - -
Warwik kommt zurück.
Nun, wo ist er? er, der nicht warten kan, bis sein Freund, Krankheit,
mit mir fertig ist?
Warwik.
Gnädigster Herr, ich fand den Prinzen in dem nächsten
Zimmer, mit Thränen der zärtlichsten Wehmuth seine Wangen
badend, und in seiner Mine und Stellung eine so tiefe, so rührende
Bekümmerniß ausgedrükt, daß die Grausamkeit
selbst, bey seinem Anblik, ihren blutigen Dolch mit milden Thränen
gewaschen hätte.
König Heinrich.
Aber warum nahm er dann die Crone weg?
Der Prinz Heinrich zu den Vorigen.
Seht, hier kommt er. Komm hieher zu mir, Harry; verlaßt
das Zimmer, laßt uns allein.
(Die Lords gehen ab.)
Prinz Heinrich.
Ich dachte nicht, daß ich Eu. Majestät wieder reden
hören würde.
König Heinrich.
Dein Wunsch, Harry, war Vater zu diesem Gedanken. Ich lebe zu
lange für dich, du wirst es müde. Ist deine Begierde
nach meinem leeren Thron so heftig, daß du dich meiner Vorrechte
schon anmassest, eh deine Stunde reif ist? O thörichter Jüngling!
Du suchst eine Hoheit, die dich zu Grunde richten wird. Warte
nur noch ein wenig; die Wolke meiner Würde wird von einem
so schwachen Wind noch emporgehalten, daß sie bald zertrieffen
wird. Du hast etwas gestohlen, das in wenigen Stunden ohne Verbrechen
dein gewesen wäre; in meiner Todesstunde selbst hast du noch
das Siegel auf meine Erwartung gedrükt; dein Leben bewies,
wie wenig du mich liebest; und du willt, daß ich mit der
völligen Ueberzeugung davon sterben soll. Du verbirgst tausend
Dolche in deinen Gedanken, die du an deinem steinernen Herzen
gewezt hast, eine halbe Stunde zu ermorden, die ich noch zu leben
gehabt hätte. Wie? kanst du mich nicht noch eine halbe Stunde
ertragen? So geh' dann, und grabe selbst mein Grab, und laß
die frölichen Gloken in dein Ohr tönen, daß du
gekrönt bist, nicht daß ich todt bin. Mögen alle
die Tropfen, die meine Leiche bethauen sollten, zu Balsam-Tropfen
werden, dein Haupt zu heiligen; nur bedeke mich vorher mit ein
wenig faulem Staub, und gieb den der dir das Leben gab, den Würmern.
Stürze meine Staats-Bediente, vernichte meine Verordnungen;
denn nun ist eine Zeit gekommen, die aller gesezlichen Ordnung
spottet. Heinrich der fünfte ist gekrönt: Auf, Thorheit!
Herab, königliches Ansehn! Alle ihr weisen Räthe, hinweg!
Und nun versammelt euch aus allen Enden an den Englischen Hof,
ihr müßigen Affen; nun, angrenzende Nachbarn, reinigt
euch von euerm Unrath! Habt ihr einen Lotterbuben, der schwört?
säuft? tanzt? die Nächte durchschwärmt? raubt?
mordet? und die ältesten Sünden nach der neuesten Mode
begeht? Freut euch, er wird euch nicht länger beunruhigen,
in England wird er Dienste, Ehre und Gewalt bekommen; denn Heinrich
der fünfte nimmt der gekrümmten Ausgelassenheit den
Maulkorb des Zwangs ab, und der rasende Hund hat nun Freyheit,
seine Zähne in jeden Unschuldigen einzuhauen. O! mein armes
Land! von bürgerlichen Wunden entkräftet! Wenn meine
Sorgfalt deine Ausschweiffungen nicht dämmen konnte, was
wird aus dir werden, wenn die Ausschweiffung deine Fürsorge
ist? O du wirst wieder eine Wildniß werden, von Wölfen,
deinen alten Einwohnern, bewohnt!
Prinz Heinrich (kniend.)
O! vergebet mir, mein Gnädigster Oberherr! Wenn ich vor
Beklemmung und Thränen hätte reden können, so würde
ich diese harte und schmerzliche Bescheltung eher unterbrochen
haben. Hier ist eure Crone, und derjenige, der die Crone der Unsterblichkeit
trägt, möge sie euch noch lang' erhalten. Wenn ich sie
mehr liebe als euer Leben, und eure Ehre, so mög' ich nimmer
von diesem Boden aufstehen, auf den mein getreues und von seiner
Pflicht durchdrungnes Herz meine Knie niedergeworfen hat. Der
Himmel ist mein Zeuge, was für ein kalter Schauer mich befiel,
da ich herein kam, und keinen Athem mehr an Eurer Majestät
spürte. Wenn diß Verstellung ist, o! so mög' ich
in meiner gegenwärtigen Wildheit sterben, und die Zeit nicht
erleben, daß ich der ungläubigen Welt die Veränderung
zeigen könne, die ich bey mir selbst beschlossen habe. Ich
war gekommen euch zu besuchen, und in der Meynung daß ihr
todt seyd, und von dem Gedanken daß ihr es seyd, selbst
beynahe todt, redte ich die Crone an, als ob sie mich verstehen
könnte, und machte ihr diese Vorwürfe: Die Sorgen, die
du machst, haben das Leben meines Vaters aufgezehrt, und also
bist du, obgleich das feinste, das schlimmste Gold; anders Gold,
obgleich minder fein, ist kostbarer, da es, in eine trinkbare
Arzney aufgelößt, ein Mittel zu Erhaltung des Lebens
ist; du hingegen, das feinste, das hochgeschäzteste, das
glorreicheste, hast den der dich trug des Lebens beraubt. Indem
ich sie so beschalt, mein Königlicher Herr, sezte ich sie
auf mein Haupt, um mit ihr, wie mit einem Feind, der meinen Vater
vor meinen Augen ermordet hatte, die Sache eines rechtschaffnen
Erben auszufechten. Wenn sie aber mein Blut mit Freude anstekte,
oder mit irgend einem stolzen Gedanken meine Seele schwellte,
wenn ein rebellischer oder hochstrebender Geist in mir, auch nur
mit dem schwächsten Grad von Vergnügen, ihre Macht willkommen
hieß; so verhindre der Himmel, daß sie nie auf mein
Haupt komme, und mache mich dem Aermsten unter allen gleich, die
mit zitternder Ehrfurcht vor ihr knien!
König Heinrich.
O! Mein Sohn, der Himmel gab dir ein, sie von hinnen zu nehmen,
um zu dieser Erklärung Anlaß zu machen, die dir deines
Vaters Liebe in desto vollerm Maaß wieder giebt. Komm näher,
Harry, seze dich zu meinem Bette, und höre, ich denke den
lezten Rath, den ich dir jemals geben werde. Der Himmel weiß,
mein Sohn, durch was für Seiten-Wege und krumme Pfade ich
zu dieser Crone gekommen bin, und ich selbst weiß am besten,
wie unruhig sie auf meinem Haupte saß. Zu dir wird sie in
beßrer Ruhe, mit bessrer Meynung und mit einem bessern Titel
herabsteigen: Denn alle Vorwürfe, die der Gelangung dazu
gemacht werden können, gehen mit mir zu Grabe. Diese Crone
schien an mir nur eine gewaltthätig an mich gerissene Zierde,
und es lebten ihrer viele die mir vorrüken konnten, daß
sie mir dazu verholfen hätten; und daraus mußte täglich
Zank und Blutvergiessen entstehen; der Friede, dessen ich genoß,
war unsicher, und alle Augenblike von Unternehmungen unterbrochen,
die meine Crone und mein Leben in Gefahr sezten. Meine ganze Regierung
war wie ein Schauspiel, wovon Empörung und Selbstvertheidigung
der Inhalt war. Aber nun ändert mein Tod die Scene; was bey
mir erobert war, fällt unter einem schönern Titel auf
dich, denn du trägst die Crone durch das Recht der Erbfolge.
Allein ob du gleich sichrer stehst als ich, so stehst du doch
nicht fest genug, da die Beschwerden noch so frisch sind, und
allen denen, die du nun zu deinen Freunden machen must, der Stachel
erst so kürzlich ausgezogen worden ist. Ich rede von den
Erben und Freunden dererjenigen, durch deren verbrecherische Künste
ich emporgestiegen, durch deren Macht ich besorgen mußte,
wieder gestürzt zu werden, und denen ich deßwegen zuvor
kam. Meine Absicht war, sie in das heilige Land zu führen,
damit nicht Ruhe und Musse sie veranlassen möchte, zu tief
in unsern Staat hinein zu schauen. Laß es also deine vornehmste
Maxime seyn, mein Sohn Harry, schwindlichte Köpfe mit auswärtigen
Angelegenheiten zu beschäftigen; damit sie ihr Feuer in entfernten
Provinzen ausarbeiten, und unter dieser Arbeit das Andenken der
vorigen Tage verliehren. Ich wollte noch mehr mit dir reden, aber
meine Lunge ist so schwach, daß ich es nicht länger
aushalten kan. Wie ich zu dieser Crone kam, o Gott, vergieb mir!
und laß sie ruhig und glüklich auf meines Sohnes Haupte
sizen!
Prinz Heinrich.
Mein Gnädigster Herr, ihr habt sie gewonnen, getragen, erhalten,
und auf mich gebracht; mein Besiz ist also klar und rechtmäßig;
und rechtmäßig will ich ihn auch, so viele Müh
es kosten mag, gegen die ganze Welt behaupten.
Lord John von Lancaster und Warwik, treten auf.
König Heinrich.
Sieh, sieh, hier kommt mein Sohn Lancaster.
Lancaster.
Gesundheit, Frieden und Glük, meinem Königlichen Vater.
König Heinrich.
Du bringst mir Glük und Frieden, Sohn John; aber die Gesundheit
ist mit jugendlichen Schwingen aus diesem kahlen verdorrten Stamm
weggeflohen. Nachdem ich nun auch dich gesehen habe, so sind meine
zeitlichen Geschäfte vorbey - - Wo ist Milord von Warwik?
Prinz Heinrich.
Milord von Warwik! - -
König Heinrich.
Hat das Zimmer, wo ich die erste Ohnmacht bekam, nicht irgend
einen besondern Nahmen?
Warwik.
Man nennt es Jerusalem, Gnädigster Herr.
König Heinrich.
Gott sey gelobt! Dort muß ich mein Leben enden. Es ist mir
vor vielen Jahren propheceyet worden, ich könnte nirgends
als in Jerusalem sterben: und ich bildete mir fälschlich
ein, es müßte im gelobten Lande seyn. Aber bringet
mich in dieses Zimmer, das ist das Jerusalem, wo ich sterben will.
(Sie gehen ab.)
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