Was ihr wollt
Illyrien - ein wundersames Eiland, erfüllt von Musik
und Liebe, Ort der Irrungen und Wirrungen, der Unschuld und
der Erfahrung.
Ein Schiffbruch wirft Viola an den Strand, mit knapper Not
hat sie ihr Leben gerettet. Das Abenteuer hat begonnen.
In Illyrien herrscht der Herzog Orsino, der um die schöne
Gräfin Olivia wirbt; in maßloser Trauer um ihren
verstorbenen Bruder weist Olivia den Herzog immer wieder ab.
Doch dann erscheint ein neuer Bote des Herzogs, der Jüngling
Cesario, der in Wahrheit niemand anderes als die verkleidete
Viola ist.
Olivia ist von Art und Redeweise des geheimnisvollen Cesario
tief berührt, sie muß sich fassungslos eingestehen,
daß sie sich verliebt hat. Cesario aber weist sie kühl
ab und wiederholt die Werbung des Herzogs. Welch eine Verstrickung!
Olivia hat sich aussichtslos begehrend in eine Frau verliebt,
während diese junge Frau ihrerseits in Männerkleidern
ohne Hoffnung ihren Herrn liebt, der sie ja für einen
Knaben hält...
Welch ein wunderliches Gefühl, das man Liebe nennt.
Wie gern und wie leicht lassen sich alle täuschen von
ihrer eigenen Sehnsucht, die sehen macht, was man just sehen
will.
Aber was wäre die Wahrheit in der Liebe? Können
wir sie überhaupt erkennen?
So viele Varianten dieses bewährten Chaos-Auslösers
gibt es, wie es Individuen gibt, und Shakespeare führt
uns diese Vielfalt vor, die Spiel-Arten der Liebe.
Zu diesen gehört auch die Beziehung des trinkfreudigen
Toby zur lachlustigen und einfallsreichen Maria, die von Hochmut
und Eitelkeit infizierte Ambition von Haushofmeister Malvolio
auf seine Herrin, die enttäuschte Leidenschaft des Antonio
zu Sebstian, die überwältigte Zärtlichkeit
Sebastians für Olivia und die schmachtende Bewunderung
des Bleichenwang für die Gräfin - oder doch eher
für den Kumpan Toby?
Ach, wer kann die Fülle der menschlichen Gefühlsmöglichkeiten
ganz erkennen, und wer kennt nur sich selbst, oder gar auch
noch den anderen - jenen Unbekannten, den man liebt?!
Lassen Sie sich von des Meeres und der Liebe Wellen an den
Strand von Illyrien tragen und erforschen Sie, ob die Musik
der Liebe Nahrung ist. "O Geist der Liebe, du bist unersättlich!
Und nur ein berufsmäßiger Narr kann da noch einen
so ironischen wie weisen Kommentar geben.
"Twelfth Night - Dreikönigsabend -
ist der andere Titel, den Shakespeare seiner wohl bekanntesten
und beliebtesten Komödie gab. Möglicherweise wird
damit auf ein Uraufführungsdatum am 6. Januar angespielt,
das aber als nicht gesichert gilt.
Eine andere Deutung ist interessanter: Die zwölf Nächte
zwischen Weihnachten und Dreikönig gelten als die "Rauhnächte,
in denen das Geisterheer umherzieht und die Menschen, um ihre
Gespensterfurcht und das Grauen vor der winterlichen Dunkelheit
zu besänftigen, ausgelassene, dem Karneval vergleichbare
Feste feiern - die seit der Antike begangenen Saturnalien.
Bei diesem Fest gingen in bunter Verkleidung die Dinge nicht
nur in erotischer Hinsicht drunter und drüber: ein turbulentes
Was-Ihr-wollt-Durcheinander, das soziale und sexuelle Identitäten
vertauscht und jeden möglichen Zweifel an der logischen
wie der gesellschaftlichen Ordnung sät.
Dieses vergnügende, vergnügliche Experiment mit
dem "anderen nutzt William Shakespeare als Begriff
für die Versuchsanordnung der Liebes-Spiel-Arten auf
der musikbeseelten Insel Illyrien.
(Renate Jaeger)
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