Zweyte Scene.
Verwandelt sich in einen Gerichts-Hof.
Leontes, die vornehmsten Herren vom Hofe, und verschiedene
Beysizer und Officianten des Hof-Gerichts, im Cirkel sizend.
Leontes.
Dieses niedergesezte Gericht (mit tiefstem Schmerz müssen
wir es sagen) führt den tödtlichen Stoß in unser
Herz. Der beklagte Theil ist nichts geringeres als die Tochter
eines Königs, unsre Gemahlin, und eine, welche wir nur zu
sehr geliebt haben - - Dieses feyrliche Gericht wird uns, hoffentlich,
gegen allen Vorwurf der Tyranney sicher stellen; dieses Gericht,
wobey die Gerechtigkeit allein den Vorsiz haben, wo der Schuldigen
ihre Vertheidigung nicht versagt und nur das Verbrechen gestraft
werden soll - - Führet die Gefangene vor - -
Ein Officiant.
Es ist Sr. Hoheit Wille, daß die Königin vor Gericht
gebracht werde. Stille!
Hermione wird mit einer Wache herein geführt; Paulina
und ihre Cammer-Frauen folgen.
Leontes.
Leset die Anklage.
Officiant (ließt.)
Hermione, Königliche Gemahlin des Durchlauchtigsten Leontes,
Königs von Sicilien, du wirst hier vorgeladen und des Hochverraths
angeklagt, darinn von dir begangen, daß du mit Polixenes,
König von Böhmen, geehbruchet, und mit Camillo dich
in ein Verständniß gegen das Leben unsers Gnädigsten
Herrn, des Königs deines Gemahls, eingelassen; und daß,
da dieser Anschlag durch zufällige Umstände zum Theil
offenbar worden, du, Hermione, gegen die Treue und Pflicht eines
getreuen Unterthanen, ihnen gerathen und Vorschub gethan, um sich
bey nächtlicher Weile durch die Flucht zu retten.
Hermione.
Da alles was ich zu sagen haben kan, in dem blossen Widerspruch
meiner Anklage besteht; und ich keine andre Zeugschaft meiner
Unschuld aufstellen kan, als meine eigne; so wird es mir schwerlich
etwas helfen, wenn ich sage, ich bin nicht schuldig: Das
gegen meine Redlichkeit einmal gefaßte Vorurtheil, wird
alles was sie sagen kan, zu falschen und leeren Ausflüchten
machen. Aber, wenn Göttliche Mächte auf unsre menschlichen
Handlungen herabschauen, (wie sie es gewiß thun) so zweifle
ich nicht, daß Unschuld doch zulezt eine falsche Anklage
zu Schanden machen, und Tyranney vor Geduld zittern wird - - Ihr,
mein Herr und Gemahl, ihr wißt am besten, ob ihr es gleich
am wenigsten zu wissen scheinet, daß mein vormaliger Lebens-Wandel
so keusch, so ehrlich, und so untadelhaft gewesen ist, als ich
izt unglüklich bin; und das ist mehr als irgend eine Geschichte,
ja mehr als irgend ein Trauerspiel, obgleich mit allem Fleiß
ausgesonnen, um Zuschauer herbey zu loken, aufweisen kan - - Denn
hier steh' ich, die Genossin des Königlichen Bettes, die
Theilhaberin des Throns, die Tochter eines grossen Königs,
die Mutter eines hoffnungsvollen Prinzen, stehe und schwaze für
Leben und Ehre, vor einem jeden, dem es gefällig ist zu kommen
und zu hören. Was mein Leben betrift, das hat in meinen Augen
alles verlohren, was es der Erhaltung werth machen könnte:
Aber meine Ehre ist mein eigen, und für diese steh' ich hier.
Ich appelliere an euer eignes Gewissen, mein Herr, wie ich bey
euch in Gnaden gestanden, eh Polixenes an euern Hof kam, und ob
ich es verdiente - - und, seitdem er gekommen ist, wie sorgfältig
ich bemüht gewesen, mich eurer guten Gedanken von mir würdig
zu erhalten; bin ich in Werken oder Gedanken nur Ein Jota über
die Schranken der Ehre hinaus gegangen, so möge sich das
Herz eines jeden der mich hört, verhärten, und meine
nächste Blutsverwandten Fy über mein Grab ruffen!
Leontes.
Ich habe noch nie gehört, daß es einer, welche Muth
genug hat so grobe Verbrechen zu wagen, an Verwegenheit gefehlt
hätte, sie mit eben der Unverschämtheit wieder wegzuläugnen,
womit sie selbige begangen hat.
Hermione.
Das ist wahr genug, aber es ist eine Beobachtung, mein Herr, die
gar nicht für mich gemacht ist.
Leontes.
Ihr wollt sie euch nur nicht zueignen.
Hermione.
Mehr Fehler, als ich würklich habe, kan und soll ich auch
nicht für mein erkennen. Was den Polyxenes mit dem ich hier
angeklagt bin, betrift, so gestehe ich, ich liebte ihn, so wie
es seine guten Eigenschaften verdienten, mit solch einer Art von
Liebe, wie einer Frau, wie ich, anständig seyn kan; mit einer
Liebe, gerade so einer und keiner andern, wie ihr selbst mir ihn
zu lieben befahlet; wenn ich weniger gethan hätte, würde
ich geglaubt haben, ungehorsam gegen euch, und undankbar gegen
euern Freund zu seyn; einen Freund, den ihr mir selbst als den
Freund eures Herzens angepriesen habt, und der euch von der Kindheit
an bewiesen hatte, daß er's sey. Was eure Zusammen-Verschwörung
betrift, so gestehe ich frey, daß ich gar nicht verstehe
was ihr damit wollt: Alles was ich weiß ist, daß Camillo
ein ehrlicher Mann war; aber warum er euern Hof verlassen hat,
das wissen die Götter selbst nicht, wenn sie nicht mehr davon
wissen als ich.
Leontes.
Ihr wußtet so gewiß um seine Flucht, als ihr wisset,
was ihr in seiner Abwesenheit zu thun vorhattet.
Hermione.
Mein Herr, ihr redet eine Sprache, die ich nicht verstehe; mein
Leben hängt nun einmal von euern Träumen ab; ich überlaß
es euch.
Leontes.
Eure Thaten sind meine Träume - - wie? Ihr habt einen Bastart
vom Polixenes, und ich träumt es nur so? - - Diese Frechheit
hat nur an eurer Schaamlosigkeit ihres gleichen - - Doch läugne
immerhin; das kan uns in Erstaunen sezen, aber dir kan es nichts
helfen; denn so wie dein Wechselbalg, wie es sich für eine
solche Brut schikt, von der niemand Vater seyn will, (ein Umstand
der freylich bey ihr nur ein Unglük, aber bey dir ein desto
schwereres Verbrechen ist) wie sie hinausgeworfen worden ist,
so sollt du unsre Gerechtigkeit fühlen: Erwarte von ihrer
äussersten Milde nichts geringere als den Tod.
Hermione.
Sparet eure Drohungen, mein Herr; den Popanz, womit ihr mich schreken
wollt, den such ich; Leben kan für mich kein Gut mehr seyn.
Die Crone und das Vergnügen meines Lebens, eure Gunst, geb
ich verlohren, denn ich fühle, daß sie verlohren ist,
ob ich gleich nicht weiß, wie. Meine zweyte Freude, mein
Sohn, mein erstgebohrner, von dem werd ich, wie eine angestekte
Person durch Schlösser und Riegel versperrt. Mein dritter
Trost, (ach! unter einem allzu-unglüklichen Stern gebohren!)
ist von meiner Brust (die unschuldige Milch noch in seinem ganz
unschuldigen Munde) weggerissen und ermordet worden; ich selbst
bin mit einem Haß der keine Grenzen hat, als eine Meze durch
alle Strassen ausgeruffen - - Sogar die Kindbett-Freyheiten, die
dem geringsten Weibsbild zugestanden werden müssen, sind
mir verweigert - - Zulezt, um das Maaß voll zu machen, habt
ihr mich an diesen Plaz schleppen lassen in die freye Luft, vor
der Zeit, da ich die Kräfte wieder erlangt hätte, es
auszuhalten. Nun, mein gebietender Herr, sagt mir, wo sind die
Glükseligkeiten, die ich mit dem Leben verliehren könnte?
Schreitet also immer zur Sentenz: Aber das höret noch - -
Verstehet mich nicht unrecht - - Nicht um mein Leben - - das acht'
ich nicht soviel als einen Stroh-Halm - - Aber um meiner Ehre
willen, muß ich euch sagen, wenn ich auf Bezüchtigungen,
die keinen andern Beweis als eure Eifersucht haben, verurtheilt
werde, so ist es Härte, nicht Justiz - - Meine Herren alle,
ich unterwerfe mich dem Ausspruch des Orakels; Apollo soll mein
Richter seyn!
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