Fünfter Aufzug
Erste Szene
Der Wald
Probstein und Käthchen kommen
Probstein.
Wir werden die Zeit schon finden, Käthchen. Geduld, liebes
Käthchen!
Käthchen.
Wahrhaftig, der Pfarrer war gut genug, was auch der alte Herr sagen
mochte.
Probstein.
Ein abscheulicher Ehrn Olivarius, Käthchen, ein entsetzlicher
Textdreher. Aber, Käthchen, da ist ein junger Mensch hier im
Walde, der Anspruch auf dich macht.
Käthchen.
Ja, ich weiß, wer es ist; er hat in der Welt nichts an mich
zu fordern. Da kommt der Mensch, den Ihr meint.
Wilhelm kommt.
Probstein.
Es ist mir ein rechtes Labsal, so einen Tölpel zu sehen. Meiner
Treu, wir, die mit Witz gesegnet sind, haben viel zu verantworten.
Wir müssen necken, wir können's nicht lassen.
Wilhelm.
Guten Abend, Käthchen.
Käthchen.
Schönen guten Abend, Wilhelm.
Wilhelm.
Und Euch, Herr, einen guten Abend.
Probstein.
Guten Abend, lieber Freund. Bedeck den Kopf! bedeck den Kopf! Nun,
sei so gut, bedecke dich! Wie alt seid Ihr, Freund?
Wilhelm.
Fünfundzwanzig, Herr.
Probstein.
Ein reifes Alter. Ist dein Name Wilhelm?
Wilhelm.
Wilhelm, Herr.
Probstein.
Ein schöner Name. Bist hier im Walde geboren?
Wilhelm.
Ja, Herr, Gott sei Dank!
Probstein.
«Gott sei Dank» - eine gute Antwort. Bist reich?
Wilhelm.
Nun, Herr, so, so.
Probstein.
«So, so» ist gut, sehr gut, ganz ungemein gut - nein,
doch nicht, es ist nur so so. Bist du weise?
Wilhelm.
Ja, Herr, ich hab einen hübschen Verstand.
Probstein.
Ei, wohl gesprochen! Da fällt mir ein Sprichwort ein: «Der
Narr hält sich für weise, aber der Weise weiß, daß
er ein Narr ist.» Wenn der heidnische Philosoph Verlangen
trug, Weinbeeren zu essen, so öffnete er die Lippen, indem
er sie in den Mund steckte; damit wollte er sagen, Weinbeeren wären
zum Essen gemacht und Lippen zum Öffnen. Ihr liebt dieses Mädchen?
Wilhelm.
Das tu ich, Herr.
Probstein.
Gebt mir Eure Hand. Bist du gelehrt?
Wilhelm.
Nein, Herr.
Probstein.
So lerne dieses von mir: haben ist haben, denn es ist eine Figur
in der Redekunst, daß Getränk, wenn es aus einem Becher
in ein Glas geschüttet wird, eines leer macht, indem es das
andere anfüllt; denn alle unsre Schriftsteller stimmen darin
überein: ipse ist er; Ihr seid aber nicht ipse, denn
ich bin «er».
Wilhelm.
Was für ein «er», Herr?
Probstein.
Der «er», Herr, der dies Mädchen heiraten muß.
Also, Ihr Tölpel, meidet - was in der Pöbelsprache heißt,
verlaßt - den Umgang - was auf bäurisch heißt,
die Gesellschaft - dieser Frauensperson - was im gemeinen Leben
heißt, Mädchen; welches alles zusammen heißt: meidet
den Umgang dieser Frauensperson, oder, Tölpel, du kommst um;
oder, damit du es besser verstehst, du stirbst; nämlich ich
töte dich, schaffe dich aus der Welt, bringe dich vom Leben
zum Tode, von der Freiheit zur Knechtschaft. Ich will dich mit Gift
bedienen, oder mit Bastonaden, oder mit dem Stahl; ich will eine
Partei gegen dich zusammenrotten, dich mit Politik überwältigen;
ich will dich auf hundertundfünfzig Arten umbringen: darum
zittre und zieh ab.
Käthchen.
Tu es, guter Wilhelm.
Wilhelm.
Gott erhalt Euch guter Dinge, Herr. (Ab.)
Corinnus kommt.
Corinnus.
Unsre Herrschaft sucht Euch. Kommt! geschwind! geschwind!
Probstein.
Lauf, Käthchen! Lauf, Käthchen! Ich komme nach, ich komme
nach.
(Alle ab.)
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