Zweyte Scene.
Das Haus des Antipholis von Ephesus.
Luciana und Antipholis von Syracus treten auf.
Luciana.
Wie, ist denn möglich, daß ihr so plözlich habt
vergessen können, was die Pflicht eines Ehmanns ist? Wie,
Antipholis, sollen schon im Frühling deiner Liebe die Quellen
deiner* Liebe vertroknen? Fällt das Gebäude eurer Liebe
schon zusammen, da es kaum aufgeführt ist? Wenn ihr meine
Schwester bloß um ihres Vermögens willen geheurathet
habt, so begegnet ihr, wenigstens um ihres Vermögens willen,
freundlicher; oder wenn ihr irgend eine andre lieber habt, so
thut es doch heimlich; laßt meine Schwester eure Untreu
nicht so deutlich in euern Augen lesen, und macht eure Zunge nicht
zum Redner eurer eignen Schande; seht sie freundlich an, gebt
ihr gute Worte; seyd mit einer guten Art ungetreu, kleidet das
Laster wie einen Hausgenossen der Tugend; nehmt eine schöne
Gestalt an, wenn schon euer Herz besudelt ist; mit einem Wort,
seyd heimlich untreu; wozu braucht Sie es zu wissen? Welcher Dieb
ist so einfältig, mit seinen eignen Streichen zu pralen?
Beredet uns wenigstens, uns arme Weiber, die so leicht zu bereden
sind, daß ihr uns liebt; wenn gleich andre den Arm haben,
so zeigt uns wenigstens ein freundliches Gesicht; wir werden nur
von Euch in Bewegung gesezt, und ihr könnt aus uns machen
was ihr wollt. Kommt also wieder mit mir hinein, mein lieber Bruder;
tröstet meine Schwester, thut freundlich mit ihr, nennt sie
euer Weib; wenn es auch nur Schmeicheley ist, so dient es doch
zu ihrer Beruhigung.
Antipholis von Syracus.
Anmuthsvolle Gebieterin, (keinen andern Namen weiß ich euch
nicht zu geben, noch begreiff ich, durch was für ein Wunderwerk
ihr den meinigen entdekt habt,) eure Schönheit und diese
Probe eurer Wissenschaft beweisen beyde, daß ihr eher irgend
eine Gottheit als ein irdisches Wesen seyd; lehre mich, schönste
Gestalt, wie ich denken und wie ich reden soll; entfalte vor meinen
zu groben irdischen, in Irrthum eingehüllten Sinnen, den
geheimnisvollen Inhalt deiner Reden - - Warum bemüht ihr
euch so sehr, mich in einem unbekannten Feld irre zu führen?
Seyd ihr eine Göttin? Wollt ihr mich neu erschaffen? So verwandelt
mich dann, ich unterwerffe mich eurer Macht. Aber so lang ich
ich selbst bin, weiß ich gewiß, und es ist umsonst
die lautre Wahrheit meiner Seele einer Falschheit anzuklagen,
daß eure weinende Schwester mein Weib nicht ist, und daß
ich keine von diesen Pflichten ihr schuldig bin, die ihr mir einschärfet.
Warum wollt ihr mich dann nöthigen sie zu lieben, da mein
Herz weit stärker, weit stärker zu euch gezogen wird?
O, loke mich nicht, holdes Meer-Mädchen, durch dein Zauberlied,
um in der Thränenfluth deiner Schwester mich zu ertränken;
sing' für dich selbst, Syrene, und ich bin lauter Liebe;
spreite deine goldnen Loken über die Silberwellen, und ich
will sie zu meinem Bette machen, und da ligen, und den Tod, den
du mir geben wirst, mit Entzüken annehmen.
Luciana.
Wie, seyd ihr wahnwizig, daß ihr so schwärmt?
Antipholis von Syracus.
Nicht wahnwizig, aber geblendet; wie, weiß ich selbst nicht.
Luciana.
Der Fehler ligt in euern Augen.
Antipholis von Syracus.
Weil ich zu lang, o schöne Sonne, in eure Stralen schaute.
Luciana.
Schaut wohin ihr sollt, das wird euer Gesicht wieder aufklären.
Antipholis von Syracus.
Das ist soviel, meine süsse Liebe, als ob ihr mir befählet,
in die Nacht zu schauen.
Luciana.
Warum nennt ihr mich, Liebe? Nennt meine Schwester so.
Antipholis von Syracus.
Deiner Schwester Schwester.
Luciana.
Das ist meine Schwester.
Antipholis.
Nein, das bist du selbst, die bessere Helfte des meinigen, das
Auge meiner Augen, und meines Herzens theureres Herz; meine Nahrung,
mein Glük und mein Anspruch an den Himmel.
Luciana.
Alles diß ist meine Schwester, oder sollt es doch seyn.
Antipholis von Syracus.
Nenne dich selbst Schwester, meine Liebe, denn ich meyne dich;
dich will ich lieben, und mit dir mein Leben leben. Du hast noch
keinen Mann; ich noch kein Weib; gieb mir deine Hand.
Luciana.
O, sachte, mein Herr, haltet noch ein wenig ein; ich will nur
vorher meine Schwester holen, damit sie ihre Einwilligung geben
kan.
(Luciana geht ab.)
* Ein Wortspiel mit dem Wort Spring, welches Frühling,
und Quelle heißt.
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