Fünfte Scene.
Adriana und Luciana zu den Vorigen.
Adriana.
Ja, ja, Antipholis, sieh nur fremde und verdrieslich aus, eine
andre Gebieterin hat deine zärtlichen Blike: ich bin nicht
mehr Adriana, noch dein Weib. Es war eine Zeit, da du ungeheissen
schwurest, daß keine Worte Musik in deinem Ohr seyen, als
die ich rede; daß kein Gegenstand dein Aug entzüke,
als mein Anblik; daß keine andre Berührung deiner Hand
willkommen sey, als die meinige - - Wie kommt es dann izt, mein
Gemal, o sage wie kommt es, daß du so fremde gegen dich
selbst worden bist - - Gegen dich selbst nenn' ich es, da du es
gegen mich bist, die auf eine so unzertrennliche Art dir einverleibt
bin, daß ich mehr bin als der größre Theil von
dir selbst. Eher könntest du einen Tropfen Wassers in die
tieffe See fallen lassen, und unvermengt mit andern eben diesen
Tropfen wieder zurüknehmen; als dich von mir losreissen,
ohne mich mitzunehmen. Wie sehr würd' es dich bis in die
Seele kränken, wenn du nur hören würdest, daß
ich ausgelassen sey, und daß dieser dir allein geheiligte
Leib durch unkeusche Lust besudelt würde! Würdest du
mich nicht anspeyen, nicht mit Füssen stossen, und mir den
Namen eines Ehmanns ins Gesicht werfen, und die beflekte Haut
von meiner Huren-Stirne reissen, und von meiner treulosen Hand
den Trauring abhauen, und ihn mit einem auf ewig uns scheidenden
Gelübde zerbrechen? Ich weiß du kanst es, also thu
es auch - - ich bin mit einem ehebrecherischen Fleken beschmizt;
mein Blut ist mit dem Schmuz der Unzucht vermengt; denn wenn wir
beyde eins sind, und du untreu wirst, so theilst du mir das Gift
mit, das in deinen Adern schäumt, und machst mich durch Anstekung
zur Hure. O so kehre dann zu deiner Pflicht zurük, und bleibe
deinem keuschen Bette getreu, damit ich unbeflekt lebe, und du unentehrt.
Antipholis.
Klagt ihr über mich, schönes Frauenzimmer? Ich kenne
euch ja nicht. Ich bin in Ephesus kaum zwoo Stunden alt, und mit
eurer Stadt so unbekannt als mit euern Reden. Ich strenge allen
meinen Wiz vergeblich an, nur ein Wort von allem dem was ihr mir
sagtet, zu verstehen.
Luciana.
Fy, Bruder, was für eine Veränderung ist das bey euch?
Wenn wart ihr gewohnt, meiner Schwester so zu begegnen; Sie schikte
den Dromio, euch zum Mittag-Essen heim zu holen.
Antipholis.
Den Dromio?
Dromio von Syracus.
Mich?
Adriana.
Ja dich, und du brachtest uns zurük, daß er dir Maulschellen
gegeben, und unter den Maulschellen mein Haus und mich als sein
Weib verläugnet habe.
Antipholis.
Habt ihr mit diesem Frauenzimmer gesprochen? Was für ein
Verständniß habt ihr mit ihr, und was soll die Absicht
davon seyn?
Dromio von Syracus.
Ich, Herr, ich habe sie meine Tage nie gesehen als izt.
Antipholis.
Du lügst, du Galgenschwengel; denn du brachtest mir ihre
eigensten Worte auf den Markt.
Dromio von Syracus.
Ich habe sie in meinem Leben nie gesprochen.
Antipholis.
Woher kan sie uns denn bey unsern Namen nennen, es wäre dann,
daß sie einen Wahrsager-Geist hätte?
Adriana.
Wie übel steht es euerm Character an, eine so niederträchtige
Comödie mit euerm Sclaven zu spielen, um meiner auf eine
grobe Art ins Gesicht zu spotten? Ich bin beleidigt genug, daß
ihr so entfremdet von mir seyd; häuffet euer Unrecht nicht
noch durch einen solchen Grad von Verachtung. Komm, laß
mich um deine Schläfe mich winden; du bist eine Ulme, mein
lieber Mann, und ich eine schwache Rebe, die mit deinem stärkern
Stamm vermählt, an deiner Stärke Antheil nimmt, ohne
sie zu vermindern; alles was dich von mir trennen will, ist Unkraut,
diebischer Epheu und unnüzes Mooß, das sich, wenn es
nicht bey Zeiten abgeschnitten wird, bis zu deinem Mark einfrißt,
und von deinem Verderben seine Nahrung zieht.
Antipholis.
(bey Seite.) Sie spricht mir so ernstlich zu, daß
ich nicht weiß, was ich denken oder sagen soll. Bin ich
im Traum mit ihr vermählt worden? Oder schlaf ich izt, und
bilde mir ein, daß ich alles diß höre? Was für
ein Irrthum bethört unsre Augen und Ohren? Bis ich erfahren
kan, was ich aus dieser unbegreiflichen Sache machen soll, wird
das sicherste seyn, den günstigen Betrug zu unterhalten.
Luciana.
Dromio, geh, sage den Bedienten, daß sie anrichten.
Dromio von Syracus.
(bey Seite.) Nun, bey meinem Rosenkranz! Ich will das Kreuz
machen; Gott sey bey uns! wir sind im Feen-Land, wir reden mit
lauter Kobolten, Gespenstern und Nacht-Frauen; wenn wir nicht
thun was sie haben wollen, so werden sie uns den Athem aussaugen,
und uns braun und blau zwiken.
Luciana.
Was plauderst du da mit dir selber, und antwortest nicht? Dromio,
du Hummel, du Schneke, du träger Kerl, du Sot!
Dromio von Syracus.
Ich bin verwandelt, Herr, nicht wahr?
Antipholis.
Ich denke du bist's am Gemüth, wie ich selbst.
Dromio von Syracus.
Nein, Herr, an beydem, an Seel und Leib.
Antipholis.
Du hast deine eigne Gestalt.
Dromio.
Nein, ich bin ein Affe.
Luciana.
Wenn du in etwas verwandelt bist, so ist's in einen Esel.
Dromio.
Das ist es; sie reitet mich, und es hungert mich nach Gras; es
ist so, ich bin ein Esel, sonst könnt' es unmöglich
seyn, daß ich sie nicht so gut kennte, als sie mich.
Adriana.
Kommt, kommt, ich will nicht länger ein Narr seyn, und den
Finger in die Augen steken und weinen, indeß daß Herr
und Knecht meines Kummers lachen. Kommt, mein Herr, zum Mittag-Essen;
Dromio, hüte die Thüre. Mein lieber Mann, ich will heut
oben mit euch zu Mittag essen, und ihr sollt mir alle eure kleinen
Schelmereyen beichten - - Kerl, wenn jemand nach deinem Herrn
fragt, so sag', er ißt ausser dem Haus, und laß keinen
lebendigen Menschen herein. Kommt, Schwester; Dromio, sey du ein
guter Thürhüter.
Antipholis.
Bin ich auf der Erde, im Himmel oder in der Hölle? Schlafend
oder wachend, verrükt oder bey Sinnen? Diesen Leuten bekannt,
und mir selbst verborgen? Ich will sagen was sie sagen, und es
darauf ankommen lassen, was aus diesem Abentheuer werden mag.
Dromio von Syracus.
Herr, soll ich hier Thürhüter seyn?
Adriana.
Ja, laß niemand herein, oder ich breche dir den Hals.
Luciana.
Kommt, kommt, Antipholis, wir werden spät zu Mittag essen.
(Sie gehen ab.)
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