Zweyte Scene.
Robert Faulconbridge und Philipp, sein Bruder, der Bastard, treten auf.
Philipp.
Euer Majestät getreuer Unterthan, ein Edelmann in Northamptonshire
gebohren, und wie ich behaupte, der älteste Sohn von Robert
Faulconbridge, einem Kriegsmann, den die ehrenvolle Hand des Königs
Richard Coeur-de-Lion im Felde zum Ritter geschlagen.
König Johann zu Robert.
Wer bist du?
Robert.
Der Sohn und Erbe von diesem nemlichen Faulconbridge.
König Johann.
Ist dieser der Aeltere, und du bist der Erbe? Ihr seyd also nicht
von einer Mutter, scheint es?
Philipp.
Wir sind ganz gewiß von einer Mutter, mächtiger König,
das ist jedermann bekannt, und, wie ich glaube, auch von einem
Vater; doch wegen der Gewißheit dieses leztern Puncts muß
ich Euer Majestät an den Himmel und meine Mutter anweisen;
denn davon bin ich nicht gewisser als alle andre Menschen-Kinder.
Elinor.
Hinweg mit dir, du ungesitteter Mensch! Schämst du dich nicht,
deiner Mutter Ehre durch diesen Zweifel zu verwunden?
Philipp.
Auch thue ich es nicht, Gnädigste Frau; ich habe keine Ursache
dazu, das ist meines Bruders Sache, das geht mich nichts an; wenn
er so was beweisen kan, so bringt er mich wenigstens um schöne
fünfhundert Pfund des Jahrs; der Himmel schüze meiner
Mutter Ehre und mein Erbgut!
König Johann.
Ein guter runder Geselle; aber warum macht er denn einen Anspruch
an dein Erbgut, wenn er der jüngere Bruder ist?
Philipp.
Ich weiß nicht warum, ausser daß er gerne meine Güter
hätte; es ist wahr, er warf mir einmal vor, daß ich
unehlich gezeugt sey, allein das ist eine Sache, die ich lediglich
meiner Mutter überlasse; ich kan nicht wissen, ob ich ehlich
oder unehlich gezeugt bin; aber das weiß ich, daß
ich eben so wohl gemacht bin als er. (Sanft mögen die Gebeine
ruhen, die diese Mühe für mich genommen haben!) Vergleichet
unsre Gesichter, gnädigster Herr, und thut den Ausspruch.
Wenn der alte Sir Robert uns beyde gemacht hat, und dieser Sohn
ihm ähnlich sieht; o alter Sir Robert, so dank ich dem Himmel
auf meinen Knien, daß ich dir nicht ähnlich sehe.
König Johann.
Ha, was für einen Pikelhäring hat uns der Himmel hier
zugeschikt?
Elinor.
Er hat einen Zug von Coeur de Lion's Gesicht, und einen
ähnlichen Ton der Stimme; findet ihr nicht einige Aehnlichkeiten
mit meinem Sohn, in der stämmichten Gestalt dieses jungen
Menschen?
König Johann.
Ich betrachte ihn schon lange deßwegen, und find' ihn durchaus
Richard; (zu Robert.) Nun, Geselle, sage dann,
was bewegt dich einen Anspruch an deines Bruders Güter zu
machen?
Philipp.
Weil er ein halbes Gesicht hat, wie mein Vater; um dieses halben
Gesichts willen möcht er gerne mein ganzes Erbgut haben;
ein groschenmäßiges Halb-Gesicht, fünfhundert
Pfund des Jahrs!
Robert.
Mein gnädigster Souverain, wie mein Vater noch lebte, brauchte
der König, euer Bruder, meinen Vater viel - -
Philipp.
Gut, Herr, das kan euch nichts von meinen Gütern geben; ihr
müßt sagen, wie er meine Mutter brauchte.
Robert.
- - und verschikte ihn einst in einer Gesandtschaft nach Deutschland,
wo er über wichtige Angelegenheiten der damaligen Zeit mit
dem Kayser Unterhandlung pflegen sollte; der König machte
sich indessen seine Abwesenheit zu Nuze, und hielt sich die ganze
Zeit über in meines Vaters Haus auf; wie er's da so weit
gebracht, daß er - - ich schäme mich es zu sagen; allein
Wahrheit ist Wahrheit; Kurz, es lagen Meere und Länder zwischen
meinem Vater und meiner Mutter, wie dieser junge Herr hier gezeugt
wurde; das hab' ich aus meines Vaters eignem Munde. Auf seinem
Todbette vermachte er seine Güter durch ein Testament mir,
und blieb bis in seinen Tod dabey, daß dieser, meiner Mutter
Sohn, nicht der seinige sey; und wenn er's auch wäre, so
kam er volle vierzehn Wochen vor der gesezmäßigen Zeit
in die Welt: Ich bitte also Euer Majestät mir zuzusprechen,
was mein ist, meines Vaters Güter, nach meines Vaters leztem
Willen.
König Johann.
Mein guter Kerl, euer Bruder ist in der Ehe gebohren; euers Vaters
Weib brachte ihn während ihrem Ehestand; wenn sie untreu
war, so ist es ihr Fehler, und ein Zufall dem alle Männer
ausgesezt sind, welche Weiber nehmen. Sag mir einmal, wie, wenn
mein Bruder, der deinem Vorgeben nach, die Mühe nahm diesen
Sohn zu zeugen, ihn deinem Vater als seinen Sohn abgefodert hätte?
Hätte nicht dein Vater ein Kalb, das ihm seine Kuh gebracht,
gegen die Ansprüche der ganzen Welt behaupten können?
Wahrhaftig, guter Freund, das hätt' er können; gesezt
also auch, er wäre meines Bruders Sohn, so hätte doch
mein Bruder keinen Anspruch an ihn machen, noch hätt' ihn
euer Vater deßwegen, weil er nicht sein sey, verläugnen
können; aus allem diesem folgt also, daß meiner Mutter
Sohn euers Vaters Erben zeugte, und daß euers Vaters Erbe
euers Vaters Güter haben muß.
Robert.
Soll denn meines Vaters lezter Wille keine Kraft haben, ein Kind
zu enterben, das nicht sein ist?
Philipp.
Von keiner grössern Kraft mich zu enterben, Herr, als, denk
ich, sein Wille mich zu zeugen war.
Elinor.
Was wolltest du lieber seyn, ein Faulconbridge, wie dieser hier,
um deine Güter zu haben; oder ein natürlicher Sohn von
Coeur de Lion, ein Prinz vom Geblüte, und keine Güter
dazu?
Philipp.
Gnädigste Frau, und wenn mein Bruder meine Gestalt hätte,
und ich hätte die seinige, Sir Roberts seine, wie er; und
wenn meine Beine zwo solche Spindeln wären, meine Arme solch
Aalhautiges Zeug, und mein Gesicht so dünne, daß ich
keine Rose* in mein Ohr steken könnte, ohne daß die
Leute sagten: Seht, da geht Drey-Viertels-Pfennig - - Und wenn
gleich diese Gestalt Erbe von allen seinen Gütern wäre,
so will ich nimmer von diesem Plaz kommen, wenn ich sie nicht
von Fuß auf hingeben wollte, um dieses Gesicht zu haben;
ich wollt' um alles in der Welt nicht Sir Nobb seyn.
Elinor.
Du gefällst mir; willt du dein Erbtheil vergessen, ihm deine
Güter überlassen und mir folgen? Ich bin ein Soldat,
und im Begriff wider Frankreich Dienste zu thun.
Philipp.
Bruder, nimm du meine Güter, und laß mir mein Gesicht,
das deinig' hat dir fünfhundert Pfund jährlich erworben;
aber wenn du es für fünf Pfenning verkauffen kanst,
so glaube du habest wohl gelößt. Gnädigste Frau,
ich bin bereit, euch bis in den Tod zu folgen.
Elinor.
Was das betrift, so will ich lieber daß ihr mir voran geht.
Philipp.
In unsrer Provinz erfordert die Höflichkeit, daß man
die Vornehmern zuerst gehen lasse.
König Johann.
Wie nennst du dich?
Philipp.
Philipp, Gnädigster Souverain, so ward ich genennt; Philipp,
des guten alten Sir Roberts seiner Frauen ältester Sohn.
König Johann.
Von nun trage den Namen von dem, dessen Gestalt du trägst;
knie nieder, Philipp, um grösser aufzustehen. (Er
schlägt ihn zum Ritter.) Steh als Sir Richard
Plantagenet auf.
Philipp.
Bruder von mütterlicher Seite, gebt mir eure Hand; mein Vater
gab mir Ehre, der eure giebt euch Land. Nun, gesegnet sey die
Stunde, es mag Nacht oder Tag gewesen seyn, da ich gezeugt und
Sir Robert abwesend war.
Elinor.
Der echte Geist der Plantagenet's. Ich bin deine Großmutter,
Richard, nenne mich so.
Philipp.
Durch einen Zufall, Gnädigste Frau, nicht in der Ordnung;
doch was thut das? Ob man zum Fenster hinein kommt oder zur Thüre,
wenn man nur drinn ist; näher oder weiter vom Ziel, wohl
getroffen ist wohl geschossen, und ich bin ich, ich mag gezeugt
seyn wie ich will.
König Johann.
Geh, Faulconbridge, du hast nun was du wünschtest; ein güterloser
Ritter macht dich zu einem begüterten Junker. Kommt, Madam;
komm, Richard, wir müssen nach Frankreich eilen, nach Frankreich,
es ist höchste Zeit.
Philipp.
Bruder, leb wohl; ich wünsche dir viel Glüks, denn du
bist mit Erlaubniß der Geseze auf die Welt gekommen.
(Alle gehen ab, bis auf Philipp.)
* Um diese Anspielung zu verstehen muß man wissen, daß
die Königin Elisabeth unter allen Beherrschern von England
die erste und lezte war, die Drey-Halb-Pfenninge, und Drey-Viertels-Pfenninge
schlagen ließ, auf denen sich ihr Bildniß bald mit
bald ohne die Rose, befand.
Theobald.
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