Entstehung: |
1611 |
Buchhändlerregister: |
8. November 1623 |
Erste Veröffentlichungen: |
1623 im Ersten Folia |
Erste
Aufführungen |
1. November 1611 im Schloß
Whitehall vor dem König,
20. Mai 1613 als eines der acht Shakespeare-Stücke,
die im Schloß Whitehall anläßlich der
Hochzeit der Prinzessin Elisabeth (älteste Tochter
von König Jacob) mit dem Kurfürsten Friedrich
von der Pfalz aufgeführt wurden. |
Der
Hauptcharakter: |
KÖNIG HEINRICH V. (*1387, -¦-1413-1422) |
|
Informationen
Im Sturm
Shakespeare wurde zu dem Stück möglicherweise durch
die Nachricht von einem Seesturm angeregt, der im Mai 1609
die englische Kauffahrteiflotte auf dem Wege nach Virginia
zerstreut und das Admiralsschiff von Sir Georges Somers, die
,,Sea-Venture", nach den Bermudasinseln verschlagen hatte.
(Der geschickt geknüpfte Zusammenhang aus dem Film
"Shakespeare in Love" ist rein fiktiv)
Diese galten bei den Seeleuten allgemein für verzaubert
und von Hexen und Teufeln bewohnt, denn furchtbare Orkane
und gefährliche Felsen hielten alle Fahrzeuge von den
Eilanden fem. Aber da ihr Schiff zu sinken drohte, entschlossen
sich Somers und sein Vizeadmiral, eine Landung zu versuchen.
Dies gelang ihnen auch insofern, als das Schiff in einer
tiefen Bucht, zwischen zwei Felsen eingekeilt, festlief, so
daß die ganze Mannschaft an Land gehen konnte.
Elf Monate brachten sie auf der unbewohnten Insel zu, bis
es ihnen gelang, in Booten die Küste Virginias zu erreichen.
Im Oktober 1610 erschien ein Bericht über dieses Abenteuer
von einem der Geretteten, Silvester Jourdain: ,,Entdeckung
der Bermudas, auch genannt Insel der Teufel, durch Sir Thomas
Gates, Lord George Somers und Kapitän Newport, mit verschiedenen
anderen."
Mehrere andere Beschreibungen derselben Fahrt scheinen kurz
darauf gedruckt worden zu sein. Shakespeare hat mindestens
die erste davon gelesen, er erwähnt im ,,Sturm"
auch die unheimlichen Bermudas selbst. Der romantischen Stimmung,
die ihn in dieser Zeit beherrschte, kamen die Erzählungen
der Seeleute entgegen, von dem verzauberten Eiland mitten
im Atlantischen Ozean, das nicht von Menschen bewohnt war,
aber von allerhand Geistern und Hexen, die furchtbare Seestürme
erzeugen konnten, und deren Stimmen man in der Luft zu hören
glaubte.
Der Dichter zeigt in dem Stück eine bemerkenswerte Vertrautheit
mit nautischen Kommandos und Manövern. Bei dem Bericht
von dem Orkan, der ein Schiff mit vornehmen Seefahrern an
die Küste der Zauberinsel treibt, scheint Shakespeare
dann eine Novelle eingefallen zu sein, die dieselben Umstände
enthielt. Auch dort hatte der Sturm, den ein Zauberer auf
der unheimlichen Insel erregte, das Führerschiff von
der übrigen Flotte getrennt.
Die Novelle selbst ist uns nicht erhalten, wir kennen nur
zwei verwandte Fassungen: die deutsche ,,Comedia von der Schönen
Sidea", die der 1605 verstorbene Nürnberger Stadtschreiber
Jakob Ayrer verfaßt hat, und die spanische Erzählung
in den "Winternächten", einer Novellensammlung
des Antonio de Matla, die 1609 oder 1610 gedruckt wurde.
Aber aus diesen drei Dichtungen, der deutschen, der spanischen
und dem englischen Drama können wir uns die allgemeineren
Züge der verlorenen Fassung rekonstruieren. Denn alles,
was zwei von ihnen gemeinsam haben, haben sie offenbar aus
der älteren Novelle. Dabei ist es für uns gleichgültig,
ob alle drei aus derselben Fassung abgeleitet, oder die Komödie
Ayrers von einer früheren Form schon abgezweigt ist.
Ein gelehrter Fürst, der auch die Wissenschaft der Magie
beherrscht, wird durch seine Feinde von Thron und Land vertrieben.
Mit seiner einzigen Tochter, die wir uns nach Ayrer und Eslava
erwachsen zu denken haben, sucht er fern von den Menschen
eine Zuflucht auf einer bewaldeten Insel (Shakespeare) mitten
im Ozean (Shakespeare, Eslava). Dort leben Vater und Tochter
von Geistern bedient, die seiner Kunst gehorchen müssen,
bis eines Tages der Sohn des Feindes durch Zufall in die Nähe
geführt wird. (Shakespeare, Ayrer, Eslava.)
Der Zauberer lockt ihn durch magische Mittel vollends zu
sich (Shakespeare, Ayrer, Eslava) und bezwingt ihn dadurch,
daß er ihn zuerst festbannt, so daß er sich nicht
rühren kann, und ihn dann niedere Dienste tun läßt,
wie Holztragen oder -spalten (Shakespeare, Ayrer).
Bei Eslava lebt der Zauberfürst nicht auf einer Insel,
sondern in einem wunderbaren Palast am Grunde des Reviers.
Es ist klar, daß da das Holzschleppen keinen Sinn hätte.
Shakespeare ist in diesem Punkt sicher der ursprünglichen
Fassung näher als der Spanier, Ayrer dagegen kennt nur
den Wald und weiß vom Ozean überhaupt nichts: er
weicht also nach der anderen Seite ab.
Wir brauchen aber für Shakespeares Quelle einen Schauplatz,
der Meer und Wald vereinigt: die Zauberinsel.
In allen drei Fassungen schlingt bald die Liebe ihr Band
um die beiden Fürstenkinder: das hatte - nach Shakespeare
und Eslava - offenbar der klug berechnende Zauberer gewünscht.
Aber auch die anderen Feinde mit dem Usurpator selbst kommen
bei Shakespeare wie bei dem Spanier bald in die Gewalt des
vertriebenen Fürsten.
Von einer Hochzeit kehrt die ganze Gesellschaft zu Schiff
zurück: doch als sie in die Nähe der Zauberinsel
kommen, erhebt sich, von dem fürstlichen Magier erregt,
ein furchtbarer Sturm, der das Führerschiff -bei Eslava
sind es mehrere - von der übrigen Flotte trennt und zu
der Zauberwohnung hintreibt. In der spanischen Novelle, wo
diese sich am Meeresgrund befindet, taucht der Zauberer aus
den Fluten auf und spricht zu der Schiffsgesellschaft.
Da aber, wie wir gesellen haben, die Insel der ursprünglichen
Form der Erzählung angehört, muß auch hier
Shakespeare die Vorlage treuer wiedergeben. Der Sturm verschlägt
also das Führerschiff mit der hohen Reisegesellschaft
an die Zauberinsel und bringt es da zum Stranden. Damit haben
wir auch die Verbindung zwischen der alten Novelle und dem
historischen Bericht über den Bermudasturm.
Nun hat der Zauberer all seine Feinde in seiner Gewalt und
bringt sie zur Reue, bei Shakespeare wie bei Eslava. Der Sohn
des Usurpators aber - darin gehen wieder alle drei Versionen
zusammen - wird der Gemahl der Tochter des vertriebenen Fürsten.
In der spanischen Novelle war der letztere ein zauberkundiger
König von Bulgarien, der von einem Kaiser von Konstantinopel
entthront wird. Dieser stirbt aber bald, so daß die
Worte des Zauberers nur an seinen Nachfolger, seinen jüngeren
Sohn, gerichtet sind.
Daß die einfacheren Verhältnisse bei Shakespeare,
wo der Herzog von Mailand von seinem eigenen Bruder vertrieben
wird und der fremde König, hier von Neapel, diesem nur
Hilfe leistet, ursprünglicher sind, ist möglich,
läßt sich aber nicht beweisen.
Ja, die Ähnlichkeit mit ,,Wie es euch gefällt"
deutet sogar eher darauf hin, daß das Verhältnis
der feindlichen Brüder auf Shakespeares Erfindung beruht.
Ludwig Tieck hat zuerst eine Theorie über die Entstehung
des ,,Sturms" aufgestellt, die dann von Richard Garnett
ausgebaut wurde, daß nämlich Shakespeare das Stück
eigens für die Hochzeit der Prinzessin Elisabeth geschrieben
und mit den Hauptpersonen, Prospero, Ferdinand, Miranda niemand
anders gemeint habe als König Jakob selbst, den Pfalzgrafen
und seine Braut.
Daß das Ganze ein Gelegenheitsstück für eine
Hochzeit ist, wird allerdings durch die Struktur wahrscheinlich
gemacht, da der vierte Akt ja nicht weiter mit der Handlung
zusammenhängt, sondern nur ein Hochzeitsmaskenspiel in
höfischer Art darstellt.
Aber schon im Herbst 1611 hat das Stück existiert: das
geht nicht aus dem Eintrag in das Rechnungsbuch der Hofintendantur
hervor, der sich als Fälschung erwiesen hat, wohl aber
daraus, daß der sehr gewissenhafte Edmund Malone, der
zu Ende des 18. Jahrhunderts - vor der Zeit der Fälscher
-sein Material sammelte, dieses Datum erwähnt.
Der weise Herrscher, der alle Wissenschaft ergründet
hat, die Inselprinzessin, die der von fernher gekommene Fürstensohn
zu seiner Gemahlin begehrt, das sind Ähnlichkeiten, die
gewiß dem Dichter wie den hohen Zuschauern auffallen
mußten.
Und daß Shakespeare in Prospero manche Aufmerksamkeit
gegen seinen königlichen Gönner zum Ausdruck gebracht
hat, ist mehr als wahrscheinlich. Aber zunächst sprach
wohl nicht der König aus Prospero, sondern der Dichter
selbst.
Er ist es, der am Schluß seine Genien entläßt
und den Zauberstab, der ihm die Herrschaft im Land der Phantasie
sicherte, versenken will in des Meeres Tiefen. Der Abschied
Shakespeares von seiner Kunst klingt aus Prosperos Epilog.
Schon in der Novelle, die dem Lustspiel zugrunde liegt, scheint
der Zauberer einen Geist als Diener gehabt zu haben. Auch
Ayrers Fürst erteilt einem Teufel Befehle. Dieser hat
den Königssohn in dem dichten Wald bis zu des Zauberers
Hütte zu locken. Das ist derselbe Auftrag, den Ariel
von Prospero erhält. Shakespeare muß dabei an seinen
Elfenkobold Puck aus dem ,,Sommernachtstraum" erinnert
worden sein, der ja eine ganz ähnliche Tätigkeit
gegenüber den athenischen Handwerkern und Liebespaaren
entwickelt: das Locken des willenlosen Wanderers im nächtlichen
Wald. Denn Puck ist ja der Irrlichtgeist. Nach ihm wird nun
der dienstbare Geist Prosperos gebildet, leicht und flink,
folgsam seinem Herrn, liebenswürdig gegen die Guten,
derb gegen die Tölpel. Er verleugnet seine Irrlichtnatur
auch nicht, indem er die boshaften Trunkenbolde in den Sumpf
lockt. Er ist der Luftgeist Ariel, solche Luftgeister wollten
ja die Seeleute auf den Bermudas gehört haben.
Daneben ist dem Zauberer auch der schwerfällige, plumpe,
grobe Erdgeist untertan; in allern ist er das Gegenteil Ariels:
störrisch, dumm, häßlich und voller Bosheit
und Tücke.
Für Mittelalter und Renaissance war der beschuppte Fischschwanz
der Seejungfer das sprichwörtlich Häßlichste:
deshalb hat auch Caliban Fischschuppen auf einem Teil seines
Leibes. Aber er ist zugleich der Sohn des Bodens, der einzige
Vertreter der Ureinwohner von Prosperos Insel. Sein Name Caliban
ist der der westindischen Eingeborenen, der Caribanen oder
Canibalen.
Was die Seeleute von der halbtierischen Roheit, der Trägheit,
Tücke und dem Aberglauben der Westindier erzählten,
übertrug Shakespeare auf seinen Hexensprößling
Caliban.
So ist sein Verhältnis zu Prospero gleichzeitig das
des Indianers zum europäischen Kolonisten: er dient ihm
widerwillig, nur durch Schläge gezwungen, aber im Innern
stets auf Hinterlist und Empörung sinnend. Caliban betet
auch zum Gott der Rothäute, Setebos, von dem der Dichter
aus einer Reisebeschreibung von Eden (1577) wußte, daß
er von den Patagonicrn verehrt wurde. Gerade die wundersame
Mischung von Mensch und Tier und Dämon macht Caliban
zur originellsten Figur in Shakespeares Dramen. Der weise
Zauberfürst Prospcro mit seiner lieblichen Tochter Miranda
und seinen dienstbaren Geistern Ariel und Caliban -sie erheben
den ,,Sturm" zu einem der bedeutendsten Lustspiele; aber
auch die anderen Gestalten, der Prinz Ferdinand, die Gruppe
der Fürsten wie die der Schiffsleute und die beiden Trunkenbolde,
alle vereinigen sich zu meisterhaften Szenen. Vor allem ist
wieder die Exposition zu bewundern - sie ist ja überhaupt
Shakespeares besondere Stärke - mit dem Seesturm, der
sofort unsere ganze Teilnahme gefangennimmt.
Der ,,Sturm" gehört zu den Stücken, dessen
schwer darstellbare Symbolik Goethe aussprechen ließ,
Shakespeare lasse sich besser lesen als aufführen.
Das Stück wurde zu Drydens Zeit häufig , heute
eher gespielt. Auch die Opernvertonungen von Henry Purcell
(1690) zur Umarbeitung Th. Shadwells wiederum der Sturm-Bearbeitungen
Drydens und Davenants (1676) und Hermann Sutermeister (I9il,O)
sind nur vereinzelt zu hören. Bereits für die Aufführungen
bei Hofe hatte 1612 Robert Johnson einige Verse in Melodie
gesetzt, so ,,Full fathom five thy father lies" (Fünf
Faden tief liegt Vater Dein, 1, 2) und ,,Where the bee sucks,
there suck 1" (Wo die Bien', saug' ich mich ein, V, 1).
Spätere Vertonungen sind uns erhalten von John Banister
(1676) bzw. Pelham IIumfrey (1670). Daneben hat Banister auch
,,Come unto these yellow Sands" (Kommt auf diesen gelben
Strand, 1, 2) vertont.
A. W. von Schlegel hat das Stück 1798 übersetzt.
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