Entstehung: |
1592 |
Buchhändlerregister: |
20. Oktober 1597 |
Erste Veröffentlichungen: |
1597 im Ersten Quarto
1602 im Zweiten Quarto
1622 im Sechsten Quarto |
Erste
Aufführungen |
30. Dezember 1593 (?) |
Der
Hauptcharakter: |
KÖNIG RICHARD III. (*1452,
-|-1483-1485) |
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Informationen
Richard III
Am 30.12.1593 verzeichnet Henslowe ein Stück ,,Buckingham".
Es wird vermutet, daß es sich um ,,Richard III."
handelt. Es gibt noch verschiedene andere zeitgenössische
Anspielungen -, auch auf Richard Burbadge als Richard - die
jedoch alle später liegen als 1597 und somit keine Anhaltspunkte
geben.
In den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts hatte der Rektor
eines Cambridger Kollegiums, Thomas Legge, nach Senecas Vorbild
daraus eine lateinische ,,Tragoedia trivespera" geschaffen,
die die Studenten bei ihrem jährlichen Universitätsfestakt
mehrmals aufführten und die wahrscheinlich den damaligen
Studiosus Marlowe begeisterte. Im folgenden Jahrzehnt kam
vermutlich die Figur des gekrönten Bösewichts zum
ersten Male auf die Volksbühne in der anonymen ,,Wahren
Tragödie von König Richard III.", einem packenden
Charakterdrama in der Art der Marloweschen Trauerspiele.
Hatte Legge noch geglaubt, alle Geschehnisse, die ihm die
Chroniken erzählten, auf die Bühne bringen zu müssen,
so wählte der Verfasser der ,,Wahren Tragödie"
nur das, was für den Charakter der Hauptfigur wichtig
war: aus der ,,Historie" schuf er ein Trauerspiel.
Wie bei Marlowe wird alles darauf angelegt, die Kraft des
Helden hervorzuheben; Richard ist in der ,,Wahren Tragödie"
nicht der listige Heuchler der Chronisten, als den wir ihn
bei Shakespeare wiederfinden, sondern nur ein grausamer Gewaltmensch,
den allein der leidenschaftliche Durst nach dem Königstitel
beseelt.
Den Rahmen bildet der Stil von Senecas Rachetragödien,
wo die Geister der Erschlagenen Rache fordern an ihrem Mörder
und nur durch dessen tragischen Untergang beruhigt werden
können. Holinshed übernahm die Geschichte Eduards
V. und Richards III., die mit dem Abfall Buckinghams endet,
von Thomas More, dem Kanzler Heinrichs VIII.
Das Weitere hat Holinshed von Hall übernommen, auf den
auch Shakespeare zurückgreift. Richard, der vierte Sohn
des Herzogs Richard von York, war 1452 geboren. Da ihm durch
einen Geburtsfehler ein Arm verkümmert war, hatte er
eine etwas schiefe Schulter, was ihm bei seinen Feinden den
Namen ,,Buckliger" eintrug. Nach seines Vaters Tod in
der Schlacht bei Wakefield (1460) kam der achtjährige
Knabe nach Utrecht, wo er am literaturfreundlichen burgundischen
Hof eine vorzügliche Erziehung genoß. Er war der
begabteste Sproß des Hauses Plantagenet.
Bis zum Tode seines Bruders Eduard gab er keine Absichten
auf den Thron zu erkennen. Wahrscheinlich hat er jedoch seinen
Bruder umgebracht; die Geschichtsforschung macht ihm hieraus
keinen großen Vorwurf, da Eduard ein schwacher Fürst
war.
Richard war von Natur aus nicht grausam, lediglich bei der
Erzwingung seiner Pläne räumte er alles brutal beiseite,
was ihm im Wege war. Er ließ sich nach dem Tode Hastings'
die Protektorwürde übertragen, die die ganze Macht
des Landes in seine starke Hand legte, und nun begann ein
Vernichtungskampf ohnegleichen. Seine Schreckensherrschaft
begann mit der Hinrichtung Hastings (13. Juni 1483).
Hastings war sein erstes Opfer gewesen; der junge König
und sein Bruder, der kleine Herzog von York, folgten; sie
wurden in den Tower gebracht. Kurz darauf wurden die Verwandten
der Königin, Rivers, Grey und Vaughan, hingerichtet.
Darauf erklärte Buckingham in öffentlicher Rede
Königs Eduards IV. Heirat mit Elisabeth Grey für
ungültig, weil er lange vorher mit einer anderen Dame
verlobt gewesen sei, und daher seine Söhne für illegitim.
Clarence aber sei als Hochverräter gestorben und somit
seine Nachkommenschaft nicht thronfähig.
Daher sei Richard von Gloucester der berechtigte Erbe der
Krone. Am 26. Juni trat dieser die Regierung an, am 6. Juli
wurde er gekrönt. Es ging das Gerücht, die beiden
Söhne Eduards IV. seien im Tower ermordet worden.
Inzwischen war aber Buckingham, durch irgendeine Äußerlichkeit
beleidigt, von Richard abgefallen, sammelte Mannschaften in
Wales und holte den verbannten Grafen Heinrich von Richmond,
den Erben des jüngeren Zweigs der Lancaster, aus der
Bretagne herüber. Aber noch bevor dieser seine Zeit gekommen
glaubte, wurde Buckingham ergriffen und am 2. November 14483
enthauptet.
Doch Richards Stern sank bald. Sein einziger Sohn Eduard
starb nach kurzer Krankheit 1484, gleich darauf Königin
Anna. Man beschuldigte den König, daß er die Absicht
habe, seine Nichte Elisabeth zu heiraten, so daß er
sich gezwungen sah, dies - als kanonisch unmoralisch - öffentlich
zu dementieren.
Eine Zwangsanleihe gegen Richmond brachte Richard um den
letzten Rest von Popularität.
Der reiche Lord Stanley lief heimlich zu Richmond über,
der nun, am 1. August 1485, auf walisischem Boden landete.
Als sich drei Wochen später bei Bosworth die Heere gegenüberstanden,
sah sich Richard vom Grafen von Northumberland und dem dritten
Teil seiner Armee verlassen. Mit glänzender Tapferkeit
stürzte sich der König in die Schlacht, erlag jedoch
seinen vielen Wunden. Den Helm mit der goldenen Krone, den
er getragen hatte, fand man nach der Schlacht in einem Busch
liegen.
Das ist der Richard der Geschichte: wild, tapfer, aber auch
ein Beschützer der Literatur, als Herrscher ein zielbewußter
Usurpator, der auch vor harten Mitteln nicht zurückschreckte.
Die lancastrischen Geschichtsschreiber der Folgezeit verzerrten
sein Bild jedoch ins Schreckliche: All die unaufgeklärten
Todesfälle - der Tod Heinrichs VI., der der beiden Prinzen,
der der Königin Anna - legten sie ihm zur Last. Thomas
More, der Verfasser der ,,Utopia" und große Kanzler
Heinrichs VIII., faßte die Berichte zusammen zu einer
geschlossenen ,,Biographie", die das Walten der göttlichen
Gerechtigkeit an dem verbrecherischen König zeigt. Jeder
der Chronisten, die dann über Thomas More hinausgingen,
fügte eine neue, dunkle Vermutung mehr hinzu, bis das
Portrait schwarz in schwarz vor dem Dramatiker stand.
Shakespeare selbst sucht sich das psychologische Bild noch
klarer zu machen und zieht da und dort Verbindungslinien,
die den Charakter um so geschlossener erscheinen lassen. Er
fügt keinen Zug hinzu, den seine Chronik nicht angedeutet
hätte, aber er sieht scharf, wo sie nur vermutete. So
hat er den ,,buckligen" Herzog von Gloucester und seine
körperlichen Mängel bedeutend übertrieben,
ihn noch finsterer, grausamer und berechnender gezeichnet,
als er ihn in der Vorlage fand.
Bei der Ausführung im einzelnen dachte er öfters
an das alte Stück, die ,,Wahre Tragödie", wie
die Übereinstimmung mehrerer Stellen zeigt. Nach Art
der römischen Rachedramen baut Shakespeare eine Andeutung
der ,,Wahren Tragödie" aus und läßt die
Geister der Ermordeten vor der Schlacht bei Bosworth Richard
im Traume erscheinen. Diese Erscheinung ist übrigens
historisch.
Die Medea Senecas ist wohl das Vorbild für die Königin
Margareta gewesen, die wie ein Gespenst immer wieder verfluchend
und unheilverkündend auftaucht.
Daß Shakespeares Drama eher eine geschlossene Tragödie
ist als ein loses Geschichtsspiel, eine ,,Historie",
liegt im letzten Grund daran, daß Thomas More schon
die geschichtlichen Ereignisse zu einer Biographie verdichtet
hatte. Die Szenen mit den Anordnungen des Königs zur
Ermordung der beiden Neffen stimmen zwar mit Thomas More überein,
aber die geschichtlichen Ereignisse sind in Wirklichkeit nie
ganz aufgeklärt worden. Stanley ist historisch richtig,
Buckingham dagegen falsch beschrieben. Buckingham kann nicht
wegen der Verweigerung der Grafschaft abgefallen sein, da
er sie längst besaß.
Man muß ferner bezweifeln, daß Richard um Elisabeth
geworben hat. Unrichtig ist auch die Meldung Catesbys, daß
Richmond gelandet sei. Dieser landete zwei Jahre später,
die Schlacht folgte unmittelbar darauf. Die packende Traumszene
dagegen ist bei Holinshed vorgezeichnet, der berichtet, Richard
habe in der Nacht vor der Schlacht einen furchtbaren Traum
gehabt.
Richard III ist durch seine Geschlossenheit wie durch das
mächtige Hervortreten des scharf gezeichneten Charakters
des Helden das beliebteste von Shakespeares Königsdramen.
Kein anderes bietet einem großen Bühnenkünstler
diese Gelegenheit, sein volles Können in die Wiedergabe
dieses dämonischen Obermenschen zu legen, der, selbst
ein gewaltiger Schauspieler, die Menschen zwingt, an seine
Worte und Mienen zu glauben, um sie dann seinen Zwecken dienstbar
zu machen oder zu zerschmettern. Deshalb haben seit David
Garrick die größten tragischen Darsteller sich
immer mit Vorliebe diese Gestalt gewählt.
,,Richard III." .ist das letzte der von Schlegel übersetzten
Stücke Shakespeares. Im April 1809 hat er es vollendet
und 1810 als vorläufigen Schlußband seiner Übersetzung
erscheinen lassen.
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