Entstehung: |
1604 |
Buchhändlerregister: |
6. Oktober 1621 |
Erste Veröffentlichungen: |
1622 im 1. Quarto - 1623 im Ersten
Folia |
Erste
Aufführungen |
1. November 1604 im Schloß
Whitehall vor dem König - 30. April 1610 im Globetheater,
London |
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Informationen
Othello (Der Mohr von Venedig)
1612-1613 als eines der acht Shakespeare-Stücke, die
in Schloß Whitehall anläßlich der Hochzeit
der Prinzessin Elisabeth (Tochter König Jacobs) mit dem
Kurfürsten Friedrich von der Pfalz aufgeführt wurden.
Otello oder Othello? Ich gebrauche die Schreibweise
Othello für das Bühnenstück Shakespeares,
Otello für die Oper von Verdi. |
Die Geschichte des Mohren von Venedig geht zurück auf
Ereignisse aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Aber der Mann,
der als Gouverneur der Republik des heiligen Markus 1505 nach
Zypern zog, war nur dem Familiennamen, nicht der Hautfarbe
nach ein Mohr. Es war Cristofalo Moro, der von der Signorie
von Venedig nach Zypern geschickt wurde, um die Insel gegen
den Sultan zu verteidigen. Nach drei Jahren kehrte er zurück
und hatte sich, wie der Bericht erzählt, den Bart stehen
lassen aus Trauer über den Tod seiner auf der Rückfahrt
verstorbenen Gemahlin. Aus dem Capitano Moro scheint die Sage
einen wirklichen Mohren von Venedig gemacht zu haben, der
als Befehlshaber von Zypern seine Frau aus Eifersucht ermordet
hat.
In
dieser Gestalt wird die Erzählung von Giraldi Cinthio
in seine Novellensammlung "Hecatomithi" aufgenommen.
Die 27. dieser hundert Novellen erzählt von einem sehr
tapferen Mohren, der sich in den Kriegen der Republik Venedig
großes Ansehen erworben hatte und sich mit Dis demona,
einer Dame von wunderbarer Schönheit, gegen den Willen
ihrer Eltern verheiratete. In vollkommener Harmonie verlebten
sie die erste Zeit zusammen, bis die Signorie von Venedig
den Mohren zum Gouverneur von Zypern ernannte. Auf ihren dringenden
Wunsch begleitete Disdemona ihren Gemahl. In seinem Gefolge
und von ihm sehr geschätzt kam auch ein Fähnrich
mit, der unter einem hübschen Äußeren einen
boshaften und hinterlistigen Charakter verbarg. Er ver liebte
sich in Disdemona und suchte sie auf jede Weise für sich
zu gewinnen. Als er aber keine Erwiderung seiner Liebe bei
ihr bemerken konnte, glaubte er, sie liebe einen Leutnant,
der auch dem Mohren sehr nahestand, und dem sie als einem
Freund ihres Gemahls manches Zeichen ihrer Gunst gegeben hatte.
Der Fähnrich beschloß, beide, Disdemona und den
Leut nant, zu verderben, indem er sie bei dem Gatten des Ehebruchs
bezichtigte. Es folgen nun die einzelnen Momente, durch die
die Eifersucht des Mohren erweckt und zur rasenden Glut angefacht
wird, wie bei Shakespeare, wenn auch noch nicht in des Meisters
feinster Ausarbeitung: der Streit auf der Wache in der Novelle
noch nicht von Jago vorbereitet -, die Maß regelung
des Leutnants, Disdemonas Fürbitte, des Fähnrichs
dunkle Andeutungen.
Wie im Drama schreitet er auch hier fort zu direkten Anklagen,
er läßt dem verwundeten Herzen des Mohren keine
Ruhe mehr, sondern hetzt und stachelt es immer von neuem auf.
Er stiehlt Disdemona das Taschentuch, während sie sein
kleines Töchterchen liebkost, und legt es am Bett des
Leutnants nieder; er hat mit diesem die Unterredung über
gleichgültige Dinge, bei der sie der Mohr beobachtet;
er führt den Eifersüchtigen zu einer Frau, die im
Hause des Leutnants wohnt und damit beschäftigt ist,
das vermißte Taschentuch abzusticken. Nach dem Mordversuch
an dem Rivalen, der nur zu einer schweren Verwundung führt,
schreiten der Mohr und sein Fähnrich gemeinsam zur Ermordung
Disde monas. Um die Tat als unglücklichen Zufall erscheinen
zu las sen, soll der Fähnrich sie mit einem Sandsack
erschlagen, und dann wollen sie die morsche Decke ihrer Schlafkammer
ein reißen, damit es aussähe, als sei sie von einem
Balken getötet worden. Im Beisein des Mohren wird Disdemona
trotz ihrer Unschuldsbeteuerungen von dem grausamen Fähnrich
ermor det, Aber nach ihrem Tode beginnt eine Feindschaft zwischen
den beiden. Der Mohr entsetzt den Fähntich seiner Stelle,
dieser klagt ihn darauf vor der Signorie des Gattenmords an.
Der Mohr kann zwar durch die Folter nicht zum Geständnis
gezwungen werden, wird aber nachher von den Verwandten Disdemonas
umgebracht. Der Fähnrich findet gleichfalls später
wegen eines anderen Verbrechens ein elendes Ende.
Cinthios Novelle ist 1584 von Gabriel Chapuis ins Französische
übertragen worden, und hier, wie so oft, dürfte
der Franzose die Vermittlerrolle zwischen dem Italiener und
einem englischen Übersetzer gespielt haben. Shakespeare
hat, nach allem, was wir von ihm wissen, sicher nicht die
italienische Novelle gelesen, sondern eine englische Bearbeitung,
von der bisher freilich noch keine Spur gefunden ist. Daß
er den in der Novelle nicht benannten Personen Namen gegeben
hat, ist für den Dramatiker selbstverständlich;
es kommt nicht allzuviel darauf an, woher er diese Namen genommen
hat.
Othello ist ein "alter deutscher Soldat", den die
Heldin einer Ehebruchsgeschichte von Reynolds "God's
Revenge against Adultery" heiratet. In derselben Geschichte
begegnet auch der Name Jago. Aber es ist etwas unsicher, ob
nicht die Namen dieser Erzählung aus der Tragödie
stammen. Shakespeare fand also fast alle einzelnen Umstände
in der Novelle schon vor. Nur den Schluß konnte er natürlich
nicht brauchen, der nicht bloß das Verbrechen unentdeckt
ließ, sondern auch die Einheit der Handlung zerstörte.
Die Charaktere sind von Shakespeare weiter ausgebaut. Das
gilt namentlich von dem des Mohren. Hier hat der große
Tragiker ein wunderbares Seelenbild geschaffen: der naive
Barbar, der an der Menschen Worte glaubt und nur da zweifelt,
wo ihm der Zweifel vorgesprochen wird, der gesunde Kriegsmann,
dessen ruhiges Blut allmählich vergiftet wird, bis sein
fieberndes Wallen die Adern zu sprengen droht, der Neger,
der durch bloße Tüchtigkeit das schönste Weib
errungen hat und der doch an der Kraft, sie zu behalten, verzweifelt,
wenn er sein Bild im Spiegel sieht - das ist Othello.
Desdemona in all ihrer kindlichen Unschuld, die ahnungslos
mit ein bißchen Koketterie die furchtbaren Gedanken
ihres Gatten zerstreuen möchte, ist ebenfalls im allgemeinen
in der Novelle schon vorgezeichnet, aber erst bei Shakespeare
wird sie zur tragischen Heldin, die in dem Geliebten, für
den sie alles hingegeben, nicht mehr die eingeborene Wildheit
sieht, der sie zum Opfer fallen soll. Das Drama ist die Tragödie
einer entrückten und weltfernen Liebe, die sich vom Idealen
nährt und somit der Wirklichkeit schutzlos ausgeliefert
ist.
. Jago wird man hier komplexer auffassen müssen, als
er bei Cinthio zu verstehen ist: Läßt sich bei
diesem Jagos Handlungsweise linear motivieren als die des
abgewiesenen Liebhabers, der den Nebenbuhler und die falsche
Schöne verderben will, (denn in seiner Leidenschaft zu
Desdemona glaubt er, sie liebe Cassio), so ist er bei Shakespeare
boshaft aus innerer Veran lagung. Cassios Rivalität in
der militärischen Stellung ärgert ihn, aber treibt
ihn nicht allein zum Handeln. Er ist der personifizierte Neid,
der alles Gute, Schöne, Glückliche haßt und
der nur noch Freude daran findet, anderen zu schaden. Es summieren
sich in seiner Person die feindlichen Einflüsse der infamen,
durchschnittlichen Welt, die ja nichts mehr liebt als "das
Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den Staub
zu ziehen", herunter zu sich. Eine freie Zutat Shakespeares
ist Rodrigo: er merkt in seiner Dummheit gar nicht, daß
er nur der Köter ist, den sich Jago zu seiner Hatz abrichtet.
"Othello" ist stets ein beliebtes Bühnendrama
gewesen und zu Shakespeares Zeiten bereits eine Glanzrolle
des großen Burbadge, wie uns eine Elegie auf ihn kündet.
Mit diesem Stück hat Shakespeare am frühesten bei
den romanischen Völkern Anklang gefunden, aber auch in
Deutschland zählt es zu den bekanntesten und häufigst
gespielten Shakespearedramen. Das mag einmal in der straffen
Handlungsführung begründet lie gen, derem Ablauf
man besonders leicht folgen kann, zum anderen vielleicht aber
auch, weil Othello von einem Gefühl beherrscht wird,
das allen Zuschauern, eher als irgendein anderes, in eigenster
Erfahrung schon einmal nahegegangen ist. Verdi schrieb seine
Oper "Othello" im Jahre 1887. Jagos Trinklied (11,3)
ist ein Volkslied, das Trio daraus wurde 1816 von Wm. Linley
komponiert. Das Lied, das Desdemona singt (IV, 3) ist eine
alte Ballade des 16. Jahrhunderts
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