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Entstehung:
1601-1606
Buchhändlerregister:
26. November 1607
Erste Veröffentlichungen:
1623 im Ersten Folia
Erste Aufführungen
: 1608 1. Quarto - 1619 2. Quarto - 1623 im Ersten Folio

Informationen

König Lear

Am St. Stephanstage 1606, zwei Jahre nach der Aufführung von "Othello", im Festsaale von Whitehall, wurde "König Lear" an derselben Stelle vor dem König gespielt.

Dies lässt sich dem Eintrag ins Buchhändlerregister. entnehmen. Der Tag, wenn auch nicht das Jahr der Aufführung bei Hofe wird auch auf dem Titel der zwei Quartdrucke des Dramas erwähnt. "König Lear" dürfte damals ein neues Stück gewesen sein. Wenn es sich irgend machen ließ, wurde dem König bei solcher Gelegenheit etwas Neues geboten. In der zweiten Szene ist "von jenen letzten Verfinsterungen an Sonne und Mond", von"Verrat in Palästen" und "allen zerstörenden Umwälzungen" die Rede, und es lag für die Zuhörer nahe, dabei an die Sonnenfinsternis des Oktobers 1605 zu denken, der am 5. November die Pulververschwörung gefolgt war.

Vielleicht war das Wiederaufleben eines alten Dramas über König Lear, das im Mai 1605 zum Druck angemeldet wurde, für Shakespeare die Veranlassung, sich mit dem Thema zu befassen. Jedenfalls kann sein "Lear" nicht vor 1603 entstanden sein, da in diesem Jahr ein Buch von Dr. Samuel Harsnett über die Zauberei der Jesuiten unter Elisabeths Regierung erschien, dem der Teufelsspuk des tollen Thoms im dritten Aufzug entnommen ist. Die Erzählung von dem altbritischen König Leir oder Lear und seinen drei Töchtern war Shakespeare wohl bekannt. Er hat Cordelia nicht mehr aus dem Gedächtnis verloren, seit er Spensers "Feenkönigin" gelesen hatte, jenes romantisch-allegorische Epos, zu dem die Zeitgenossen mit bewunderndem Staunen emporblickten, weil es die Ideale dieser Epoche reiner ausdrückte als irgendein anderes Werk.

Dort war die Geschichte Lears ganz kurz in sechs Strophen erzählt, aber die Gestalt der unglücklichen Cordelia, die sich zuletzt im Gefängnisse er hängte, trat doch deutlich hervor.

Auf der Bühne war König Lear dem englischen Publikum kein Fremder mehr. Es gab ein altes Stück von König Leir, vermutlich noch aus den achtziger Jahren, das 1594 in die Buchhändlerregister eingetragen wurde.

Er wurde dann 1605 zum zweiten Male angemeldet und gedruckt.

Auf dem Titelblatt heißt es, daß diese "Wahre Chronik-Historie von König Leir und seinen drei Töchtern" "zu verschiedenen und öfteren Malen kürzlich agiert" worden sei. Dieses alte Stück weist außer den großen Umrissen der Haupthandlung auch eine Menge kleinere Züge auf, die es mit Shakespeares Trauerspiel verknüpfen. Und doch, welch gewaltiger Unterschied zwischen Shakespeares Werk und diesem bürgerlichen Drama.

Der alte König Leir gibt am Anfang des Dramas seinen Entschluß kund, das Reich unter seine drei Töchter zu verteilen und sie zugleich zu verheiraten. Ein ränkevoller Höfling Skalliger rät ihm, sie vorher nach dem Grad ihrer Liebe zu befragen. Während Gonorill und Ragan sich in heuchlerischen Beteuerungen überbieten, hat die bescheidene Cordella, der Liebling des Vaters, nur die Antwort: "Ich kann nicht Kindespflicht mit Worten malen; Doch werden meine Taten für mich zeugen. Die Liebe, die das Kind dem Vater schuldet, Die hege ich für Euch, mein edler Herr." Diese schlicht aufrichtigen Worte bringen den von den älteren Schwestern aufgestachelten König in Wut; denn, heißt es, "er fällt stets von einem Extrem ins andere". Gonorill und Ragan werden den Fürsten von Cornwall und Cambria vermählt und erhalten je eine Hälfte des Reichs, Cordella aber wird vom Vater verstoßen. Einsam irrt sie am Meeresstrand umher, da trifft sie zufällig zwei Pilger.

Es ist ein König aus Gallien mit seinem lustigen Hofmann Mumford. Der König, der als Brautwerber in Verkleidung zu Leir will, verliebt sich sogleich in die reizende Cordella und führt sie als Gattin heim. Unterdessen beginnt Leirs Elend. Die Töchter lassen ihm nur noch einen einzigen Diener. Gonorill, bei der er wohnt, schilt ihn "abscheulicher, elender Alter" und weist ihm die Tür, so daß er weinend beschließt, zu Ragan zu gehen.

Leir wie seine Töchter sind dabei ganz bürgerlich aufgefaßt, ohne irgendeinen Zug von Größe. Der alte König zankt mit Gonorill, weil sie zuviel für ihre Kleider ausgebe; die älteren Schwestern hassen Cordella, weil sie sich besser anzuziehen weiß als sie; und diese will als arme, verstoßene Prinzessin mit Nadel und Faden ihr Brot verdienen. Gonorill schickt nun auf den Rat des bösen Skalliger einen Brief an Ragan mit der Verleumdung, der Alte habe über sie Schlechtes geredet. Dadurch wird Ragan so erbost, daß sie beschließt, ihren Vater, der mit dem treuen Perillus bei ihr Aufnahme sucht, in einem Dickicht ermorden zu lassen. Aber ein Blitzstrahl verwirrt den Mörder und rettet die beiden alten Männer.

Inzwischen kann Cordella den Zorn ihres Vaters nicht verwinden und strebt danach, ihn zu versöhnen. Sie sendet einen Boten zu ihm, der ihn an den gallischen Hof einladen soll. Vergebens sucht der Bote den König erst bei Gonorill, dann bei Ragan; ja er wird von dieser sogar mißhandelt. In Verkleidung machen unterdessen der gallische König mit Cordella und Mumford einen Ausflug an die Meeresküste. Dort treffen sie Leir und Perillus, die halbtot vor Erschöpfung und Hunger in ärmlicher Schifferkleidung - denn ihre eigenen Kleider mußten sie für die Überfahrt hergeben - schon daran verzweifeln, je den Hof der Cordella zu erreichen. Diese pflegt den alten Vater mit Speise und Trank und läßt sich von ihm seine Geschichte erzählen: dann erst gibt sie sich ihm zu erkennen. Rührend ist diese Szene, wo der Vater vor der einst verstoßenen Tochter, die Tochter vor dem geretteten Vater niederkniet. Nun wird ein gallisches Heer gerüstet, die bösen Töchter werden besiegt, und Leir wird wieder König. Das ganze Stück mit seiner bürgerlichen Rührseligkeit erhält aber einen Schimmer echter Poesie durch die liebliche Gestalt der Cordella.

Dieses frische, gesunde und dabei immer bescheidene, von echt weiblicher Herzensgüte erfüllte Geschöpf ist eine der reizendsten Gestalten der vorshakespearischen Dramatik.

Leir dagegen ist ein schwacher Greis, der "Spiegel aller Sanftmut", der es ohne ein Wort der Erwiderung erträgt, daß ihn seine Töchter "Narr" und "kindischer Alter" schelten, dessen mildem Wesen die Tränen stets naher sind als ein hartes Wort. Im Holinshed fand Shakespeare nur das Allgemeinste über Leir, der Britannien zur Zeit, als Joas in Juda herrschte, 40 Jahre lang trefflich regierte, so daß das Land zu großem Wohlstand kam. Er las da, daß die zwei älteren Töchter an die Herzöge von Cornwall und Albanien verheiratet wurden und anderes, was er aus dem alten Drama schon wußte, und schließlich auch, daß das Leben der edlen Cordeilla ein so jammervolles Ende fand, wie es Spenser erzählt hatte, so daß der letzte Eindruck im Gegensatz zu dem alten Drama auch hier von erschütternder Tragik war. Lears jüngste Tochter erzählte auch sein trauriges Schicksal in dem vielgelesenen "Mirror for Magistrates" oder "Spiegel für Hochstehende", einer Sammlung von Monologen, die den Engländern der Renaissance die Macht des Schicksals vor Augen führen sollten.

Ein paar an sich unbedeutende Übereinstimmungen daß Cordelia den König von Frankreich statt, wie es in den anderen Versionen stilgerechter heißt, von Celtia oder Gallia heiratet, oder die Zahlen des dem alten König von seinen Töchtern versagten Gefolges beweisen, daß Shakespeare auch diese Version gelesen hatte.

Vielleicht ist Shakespeare sogar der Gestalt König Lears noch weiter nachgegangen und hat - einer Randnote in Holinsheds Chronik folgend - den Abschnitt in der "Geschichte der Könige von Britannien" von Galfrid von Monmouth nachgelesen. Der walisische Bischof des 12. Jahrhunderts, der es kühn unter nahm, die Lücken der altbritischen Uberlieferung durch selbstgeschaffene "Geschichte" auszufüllen, steht in der Reihe der historischen Erzähler des Mittelalters unerreicht da an poetischer Gestaltungskraft. Aus Märchen und Sagen, aus volkstümlichem Mythus und gelehrter Tradition hat er einen Born von Figuren und Motiven zu schaffen gewußt, aus dem die Dichtkunst aller westlichen Völker bis herab auf unsere Tage geschöpft hat. Die Nachwelt soll es ihm dankbar gedenken, daß sie die Legenden von Lear und Cymbelin, ebenso wie den Ausbau der Sagen von Arthur und Merlin durch seine poetische Phantasie erhalten hat. Mit dem Namen eines altkeltischen Wasser- oder Meeresdämons Llyr, der sich als Held in der skandinavischen Uberlieferung findet, und dessen Töchter als Stürme den Schiffen gefährlich werden, verband er ein Märchen von der guten und klugen Tochter, die verstoßen wird, weil sie sagt, sie liebe ihren Vater wie das Salz, und eine alte Weisheitsregel:

"Wer seinen Kindern alles gibt und nichts für sich behält, ist wert, daß man ihn mit der Keule erschlage."

Dass die verstoßene Tochter als Aschenbrödel aufgefaßt wird, als Jüngste, die von zwei bösen älteren Schwestern mit Haß verfolgt wird, ist dann eine weitere Entwickelung des Märchens, die gewiß schon vor Galfrid vollzogen war. Die Weisheitsregel aber war eine vielleicht christliche Umbildung eines uralten heidnischen Brauchs: in rohen Vorzeiten wurden mit der heiligen Keule die arbeitsunfähigen Greise erschlagen; die höhere Kultur erst schützte das Alter. Der Stoff hat Shakespeare mehr beschäftigt als irgendein anderer. Er kannte aus Sidneys Schäferroman "Arcadia" die Geschichte von einem König von Paphlagonien, der einen guten und einen bösen Sohn hatte: der gute das Kind seiner Gattin, der schlechte ein Bastard. Von diesem aufgehetzt, hatte der alte König seinen echten Sohn verstoßen, ja sogar versucht, ihn ermorden zu lassen; dem unechten aber hatte er alle Macht abgetreten.

Mit schwärzestem Undank wurde ihm das gelohnt: die Grausamkeit des Bastards ging so weit, daß er den alten Vater nicht nur des Thrones, sondern sogar seiner beiden Augen beraubte. Elend und blind fand der Vertriebene einen Schutz an seinem treuen echten Sohne, der sofort, als er von des Vaters Unglück erfuhr, zu ihm geeilt war. In einem furchtbaren Unwetter mit Sturm und Hagel wurden die beiden vor einer Felsenhöhle durch zwei edle Freunde beobachtet: der Blinde bittet. vergeblich seinen Führer, ihn zum Gipfel eines nahen Berges zu leiten, damit er sich von dort hinunterstürzen könne; dann sei der Vater von einem lästigen Dasein, der Sohn von einer großen Gefahr befreit.

Die fremden Ritter ließen sich die Geschichte des Königs erzählen und waren davon so gerührt, daß sie beschlossen, ihm wieder zu seinem Thron zu verhelfen. Der Bastard wurde vertrieben und der Blinde und sein Sohn wieder in ihre Rechte eingesetzt.

Aber des alten Mannes Herz brach, als er unter Freudentränen dem treuen Sohn die Krone aufgesetzt hatte. Das Bild des armen verstoßenen Königs, der in der äußersten Bitterkeit menschlichen Elends, von allen verlassen außer seinem treuen Begleiter, auch noch der Wut der entfesselten Elemente preisgegeben ist, prägte sich Shakespeare tief ein.

So sah er seinen Lear, von den grausamen Töchtern ausgesperrt, vor jener Felsenhöhle stehen, aus der er dann, der Situation besser entsprechend, eine Hürde gemacht hat Im Kampf mit dem erzürnten Element. Er heißt dem Sturm die Erde wehn ins Meer, Oder die krause Flut das Land ertränken, Daß alles wandle oder untergehn; Rauft aus sein weißes Haar, das wüt'ge Windsbraut Mit blindem Grimm erfaßt und für nichts achtet. Aber furchtbarer als die Blindheit ist noch der Wahnsinn, der den von der höchsten Höhe gestürzten großen Geist erfaßt: so wie es der junge Shakespeare in seinem "Titus Andronicus" angedeutet hat. Was er damals nur kurz skizzierte, führt er jetzt gewaltig aus. Der Irrsinn auf der Bühne war schon von anderen unter den elisabethanischen Dramatikern dargestellt worden, aber keiner hat daraus ein so furchtbares Bild der gequälten Menschenseele gemacht wie Shakespeare.

In der "Spanischen Tragödie" von Kyd, wie in dem mit ihr eng verwandten "Hamlet" tritt an die Seite verstellter Tollheit der wirklich zerrüttete Geist: neben Hamlet, dessen sonderbares Wesen wir mit ängstlicher Teilnahme verfolgen, steht die arme Ophelia, die uns mit ihren Liedchen erschüttert. In "König Lear" aber wird uns ein grausiges Trio aufgeführt zwischen dem aus Schmerz wahnsinnig gewordenen König, dem sich toll stellenden Edgar und dem Narren, ein Gesang, zu dem die Gewalten der Luft die dröhnende Orchesterbegleitung spielen und der alles Menschliche weit hinter sich läßt.

So baut Shakespeare ältere Motive weiter aus, und deshalb hat er dem vertriebenen König als Begleiter den treuen Narren beigegeben. Es ist nicht unmöglich, daß er durch das ältere Stück darauf hingewiesen wurde, wo der als Pilger verkleidete König von Gallien auf der Fahrt nur seinen derb-lustigen Höfling Mumford bei sich hatte. Und gewiß schwebte ihm dabei auch Prob Stein vor, der 'mit den verkleideten Mädchen als Hüter und Tröster in die Wildnis geht. Der Hofnarr war auf dem Theater zu Shakespeares Zeit ein wohlbekannter Typus, aber diese beiden Figuren in "Wie es euch gefällt" und in "Lear" bilden den Gipfel der ganzen Gattung und haben sie unsterblich gemacht, als Verkörperung der Lebensweisheit im Schellenrock des treuen Dieners.

Noch in einem anderen Punkt ist Shakespeares Learfabel von der Erzählung Sir Philipp Sidneys beeinflußt worden: in dem tragischen Tode des Königs. Bei Holinshed übernimmt ja Lear nach der Besiegung seiner bösen Töchter wieder die Regierung. Sidneys blinder König aber stirbt in dem Moment, wo er alles erreicht zu haben scheint. Shakespeare vereinigt nun dieses Ende des alten Herrschers mit dem der Cordelia, wie er es aus seinen Quellen, vor allem aus Spenser kannte: Lear stirbt nicht vor Freude, sondern vor Schmerz über den Tod der wiedergefundenen Lieblingstochter. Shakespeare schuf aus der Erzählung von diesem König von Paphlagonien als Parallelfabel die Szenen zwischen dem Grafen von Gloster und seinen beiden Söhnen. Mit Edgar geht das gute Prinzip nicht unter, wie mit Cordelia, sondern bleibt erhalten als Rächer und Richter. Eine solche Nebenfabel finden wir sonst nicht selten in der Komödie, während das Trauerspiel sie eigentlich nicht kennt.

Der Technik der heiteren Gattung ist also Shakespeare hier gefolgt, auf die ihn ja auch das alte Drama hingewiesen hatte. Groß und mit stärkster Betonung der Hauptlinien sind die Charaktere in "Lear" ausgemeißelt.

Die Quellen boten Shakespeare wohl Hinweise, aber ein Vergleich zeigt, die alles überragende Kunst des Genies. Shakespeares Lear ist noch im Elend königlich, der König des alten Stückes dagegen war ein bürgerlicher Hausvater. Cordelia ist mehr als das naive, liebenswürdig anschmiegende Mädchen der Vorlage, sondern sie zeigt auch in ihrem Wesen, daß sie die Tochter Lears ist, denn auch bei ihr findet sich etwas von dem trotzigen Stolz des Königs: Sie kann nicht ihre Natur beugen, und wenn andere es wünschen, ihres Herzens Tiefstes auf die Zunge heben. Aber dieses Schweigen ist eine Willenshemmung, ein echt weiblicher Trotz, wie er gerade den treuesten und liebevollsten Naturen innewohnt, und der doch den anderen als Lieblosigkeit erscheinen muß.

Nur Kent, der selbst seine Güte gern mit einer rauhen Hülle umgibt, hat Cordelia verstanden. Pedantische Grausamkeit aber ist es, wenn die Ästhetiker darin eine Rechtfertigung ihres tieftraurigen Endes entdecken wollen: der humane Dichter arbeitet nicht nach einem Strafkodex.

Die beiden anderen Töchter, die hochmütige, harte Goneril und die falsche, grausame Regan sind ähnlich schon im alten Stück differenziert. Dort ist ebenso schon der Gemahl der Goneril jener weiche, schwächliche, aber gerechte Herzog wie bei Shakespeare.

Dagegen ist der Herzog von Cornwall, der im alten "König Leir" sehr wenig hervortrat, aber doch die Bosheit seiner Gattin verurteilte, bei Shakespeare dieser angeglichen. Das war auch nötig, um die Verbindung mit der Nebenhandlung, "feurige"der Glosterfabel, herzustellen, in die der Herzog nun eingreift. - Auch der treue Kent ist schon im "König Leir" vorgezeichnet.

Es ist der alte Freund der Cordella und Ratgeber des Königs, Perillus, der alles Unglück mit ihm trägt; aber wir finden dort nichts von der herzerquickenden Derbheit des ehrlichen Dieners.

Daß er seinem Herrn in Verkleidung folgt, ist ein Komödienmotiv, das im alten Stück mehrmals wiederkehrt. Als sein Gegenpart kennt dieser auch einen skrupellosen Höfling Skalliger, den wir mit Oswald, Gonerils Haushofmeister, identifizieren können. Sein Name wie sein Wesen erinnern an Osrik, den lakaienhaften Höfling im "Hamlet". Der Narr endlich ist Shakespeares eigenste Schöpfung. Er tritt auf, um Lear an Cordelia zu erinnern, und verschwindet, als diese wiedergekehrt ist. Das scheint eine symbolische Bedeutung zu haben - da die Lieblingstochter, Lears Freude, verbannt ist, muß der Narr ihre Stelle vertreten, den Trübsinn von des Königs Stirne scheuchen und ihm die Wahrheit sagen - und hat doch einen sehr praktischen Grund: der Sänger der Narrenliedchen ist derselbe Junge bei des Königs Schauspielern, der auch Cordelia darzustellen hat.

Das ganze Stück ist durchsponnen von urgewaltiger Leidenschaft. Der dramatische Aufbau ist klar und einfach, zunächst gehen Haupt- und Nebenhandlung, die Lear- und die Glosterfabel, in wechselnden Szenen nebeneinander her.

Der erste Akt setzt nach kurzem Auftakt ein mit Lears Ungerechtigkeit gegen Cordelia und endet mit der Verfluchung Gone.

Der zweite, von Regans Hyänengestalt beherrscht, steigert sich bis zur Aussperrung Lears.

Der dritte Akt wird eingeleitet vom Sturm auf der Heide, im Mittelpunkt steht der Dreigesang der Tollen, mit der Blendung Glosters bricht er ab. Der vierte Akt mit seinen vielen Einzelszenen läßt nur eine kurze Ruhe nach dem Gewitter eintreten. Seinen Höhepunkt erreicht er in dem Duo zwischen dem tollen Lear und dem blinden Gloster, auf das wehmütig-trostreich die Vereinigung Lears mit Cordelia folgt. Aber im fünften Aufzug kommt, nach einer helleren Melodie mit Gloster als Thema, die letzte Szene, in der das Unrecht bestraft, aber auch all unser Hoffen zerstört werden.

Dem Publikum des achtzehnten und teilweise noch des neunzehnten Jahrhunderts war dieser Schluß zu stark, so daß die Bühnen ihn nur in gemildeter Form aufzuführen wagten. Die Bearbeitungen dieser bürgerlich sentimentalen Zeit gehen unbewußt denselben Weg, den die alte Historie vom König Leir eingeschlagen hatte, und lassen Cordelia, zuweilen auch Lear, am Leben.

König Lear ist zuerst von Wieland im ersten Bande seiner Shakespeare-Ausgabe, 1762, ins Deutsche üibersetzt worden, 15 Jahre später folgte die Übersetzung von Eschenburg und ein Jahr darauf Schröders Bearbeitung für das Hamburger Theater.

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