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Entstehung:
1592 - 1593
Buchhändlerregister:
8. November 1623
Erste Veröffentlichungen:
1623 im Ersten Folia
Erste Aufführungen
28. Dezember 1594 im Gray's Inn, London, 1604 erstmals bei Hofe.

Informationen

Komödie der Irrungen

Die ,,Komödie der Irrungen" ist ein Stück aus Shakespeares Lehrjahren: das spricht sich deutlich aus in dem possenartigen Stoff und in seiner Behandlung.

Der junge Lustspieldichter ist ganz unter dem Einfluß des Hofstils, den John Lyly in den achtziger Jahren geschaffen hatte. Selbst in diesem auf Situationskomik zugeschnittenen Stücke überwiegt der Wortwitz in Lylys Manier. Es steht den ,,Edelleuten von Verena" und ,,Verlorener Liebesmüh" offenbar zeitlich sehr nahe. In der Komödie selbst findet sich eine Anspielung auf ein politisches Ereignis, die der hochverdiente erste Shakespeare-Philologe Lewis Theobald, vom Dichter Pope höchst ungerechterweise als ,,Oberdummkopf" verspottet, zuerst entdeckt hat.

Dort, wo Dromio die dicke Küchenfee als Globus beschreibt, sagt er, ihre Stirn sei Frankreich, drohend aufgezogen gegen ihr Haar. Doch das letzte 'Wortpaar gibt als Ireir gelesen der Stelle noch einen zweiten Sinn: ,,Frankreich in Waffen gegen seinen Erben." Dann beziehen sich die Worte auf den Bürgerkrieg gegen Heinrich von Navarra, der 1589 zum französischen Thronerben erklärt und 1593 als König anerkannt wurde.. Das Interesse war in London 1591 am größten, als ein englisches Korps dem protestantischen Fürsten Hilfe bringen sollte. Zu diesem Datum stimmt auch der Stil sowie die Metrik sehr gut.

Wie in anderen Jugenddramen finden sich hier gelegentlich Knittelverse und viele gereimte Zeilen. Drei Jahre später, zu Weihnachten 1594, wurde in der Londoner Juristenschule Gray's Inn eine ,,Komödie der Irrungen" aufgeführt, ohne Zweifel Shakespeares Stück. Endlich führt es Francis Meres 1598 unter den Lustspielen an, die Shakespeares Verdienste in dieser Dichtart beweisen sollen. Den Stoff hat Shakespeare den ,,Menaechmen" des Plautus entnommen, des trefflichen römischen Bearbeiters attischer Komödien. Die Menaechmi sind ein Zwillingsbrüderpaar aus Syrakus, die sich so ähnlich sehen, daß weder Mutter noch Amme sie auseinanderhalten können. In früher Jugend geht der eine Bruder verloren, der andere, ursprünglich Sosikles geheißen, nimmt seinen Namen an. Als er erwachsen ist, zieht er, von einem Diener begleitet, aus, den Verlorenen zu suchen. So kommt er auch nach Epidamnus, wo dieser als Ehemann und angesehener Bürger lebt, und hier ergeben sich nun aus der Gleichheit in Gestalt und Namen allerlei ergötzliche Verwechslungen. Der Epidamnier hat bei seiner Geliebten, der Kurtisane Erotium, ein Mittagessen bestellt, aber der Syrakusaner wird von ihr bewirtet und nimmt, um ihn zum Goldsticker zu tragen, einen Mantel, den jener seiner Frau entwendet hatte, und dazu noch eine goldene Spange in Empfang.

Gleich darauf kommt der Epidamnier wieder und bittet, ihm den Mantel zurückzugeben, da ihn seine Frau sonst nicht in das Haus hineinläßt. Natürlich erklärt die Kurtisane, sie habe ihm ja das Kleidungsstück eben übergeben. Unterdessen wird der Syrakusaner, der den Mantel am Arm trägt, von der Frau seines Bruders angehalten und mit Vorwürfen überhäuft. Da er nichts verstehen will, ruft sie ihren Vater; dieser gelangt zu der Oberzeugung, sein Schwiegersohn müsse verrückt sein, und läuft nach dem Medicus. Gleich darauf erscheint der Epidamnier und wird von dem Arzte in Behandlung genommen. Vier Männer sollen ihn bändigen, aber der Sklave des Syrakusaners kommt dazu und befreit ihn, in der Meinung, seinen Herrn vor sich zu haben. Als nun auch Herr und Sklave sich nicht mehr kennen und der Syrakusaner von seiner Befreiung nichts weiß, da treten sich die Bruder gegenüber, und die Lösung ist da.

In der sechsten Klasse der Lateinschulen pflegten die Schüler auch Plautus zu lesen; so mag Shakespeare die ,,Menaechmen" bereits gekannt haben, bevor er die Londoner Bühne betrat. Aber auch eine Übersetzung des Stückes scheint 1591 existiert zu haben: William Warner verüffentlichte eine Molche 1594, aber wie die Vorrede sagt, hatte die Arbeit längere Zeit schon als Manuskript Verbreitung gefunden. Meistens nimmt man an, daß es auch ein älteres Lustspiel über das Thema auf der Londoner Bühne gegeben habe. Das läßt sich indes nicht beweisen: die ,,Geschichte der Irrungen", die zu Neujahr 1577 bei Hofe aufgeführt worden war, kann bei der allgemeinen Fassung des Titels auch einen ganz anderen Inhalt gehabt haben. Shakespeares Quelle scheinen die ,,Menaechmen" allein gewesen zu sein.

Der Dichter greift diese Plautinische Posse auf und schafft sie zu einem Lustspiel um, das nichts von dem possenhaften Witz verloren hat und doch im romantischen Gewande einherschreitet. Sein Vorbild ist ja John Lyly, der in den Hofkreisen als Verfasser klassisch-romantischer Lustspiele beliebte Direktor der königlichen Knabentruppe. Lylys Gesetz des Parallelismus in der redenden Kunst wird nun auf den Menaechmenstoff angewandt. Jede der Hauptfiguren bekommt ihr Seitenstück: bei Plautus finden sich nur die Söhne wieder, bei Shakespeare auch die Eltern; in den ,,Menaechmen" hat nur der eine Bruder seinen Sklaven bei sich, hier wird auch dem anderen ein solcher beigesellt, und wie die Herren Zwillinge sind, so auch die Diener. Wenn der Herr von der Frau seines Zwillingsbruders beansprucht wird, so geht es dem Sklaven ebenso. Um das Schlußbild vollständig zu machen, muß auch der unbeweibte Bruder eine Gattin finden.

Ein anderes Lustspiel des Plautus war es, der ,,Amphitruo", das dem jungen Dichter die Verdopplung des Zwillingspaars nahelegte. Dort geht Jupiter, von Merkur begleitet, zur Gattin des Amphitruo und hat sich dabei dessen Gestalt, dem Merkur die des Sklaven Sosia beigelegt. Während der Gott drinnen bei der in ahnungsloser Täuschung befangenen Ehefrau weilt, bewacht Merkur als Sosia die Haustür. Da naht der richtige Sosia und begehrt Einlaß, er bekommt aber nur Scheltworte und zum Schluß sogar - ein Zug von überwältigender Komik - Prügel von seinem eigenen Ebenbild, so daß er in seinem Identitätsgefühl vollständig verwirrt ist.

Mit Ausnahme dieses letzten Zuges hat Shakespeare das alles in die Menaechmenfabel aufgenommen. Dadurch aber wird er zu einer Änderung veranlaßt, die für den moralischen Standpunkt seiner Komödie von Wichtigkeit ist: in den ,,Menaechmen" speist der Syrakusaner bei einer Kurtisane, der Geliebten seines Zwillingsbruders: da sich aber die Pförtnerszene am Hause der Kurtisane nicht gut anbringen ließ, wird der Fremde bei Shakespeare im eigenen Hause des Bruders von dessen Gattin bewirtet. Dazu stimmte es ja auch, daß sich der epidamnische Menaechmus beklagte, seine Frau habe ihn wegen des entwendeten Mantels ausgesperrt.
Der Dichter kommt aber dadurch zugleich dem Empfinden seiner Londoner Zuschauer entgegen, denen es auffällig erscheinen mußte, daß ein angesehener Bürger bei einer Kurtisane zu Mittag aß. Jetzt geht der aus seinem eigenen Hause Ausgesperrte nur aus Rache zu der Dime, dadurch wird das Anstößige bedeutend gemildert.

Durch die Hinzufügung eines zweiten Zwillingspaars, der Sklaven, wird natürlich das Possenhafte des Verwechslungsstücks viel stärker betont, dagegen auf die Wahrscheinlichkeit ganz verzichtet, da ja nicht, wie im ,,Amphitruo", ein Eingreifen der Götter jedes Wunder erlaubt. Aber die Verwechslung war in der komplizierten Renaissancekleidung sowieso viel unwahrscheinlicher als in der einfachen allgemeinen Tracht der Antike.

Durch den Schiffbruch, der das Zwillingspaar trennt, wurde Shakespeare auf die romantischen Erzählungen hingewiesen, in denen die Schüler griechischer Romandichter das verhängnisvolle Wirken der Seefahrten mit Schiffbruch und menschenraubenden Piraten so gerne beschrieben. Vor allem war es die Geschichte vom König Apollonius von Tyrus, der auf seinen Fahrten erst von der Gattin, dann von der Tochter getrennt wird und sie erst nach langen Jahren wiederfindet, die dem Engländer dabei einfallen mußte. Sie war im Mittelalter wie in der Zeit des ersten Buchdrucks sehr beliebt in England, auf sie geht ja auch Shakespeares romantisches Drama ,,Perikles" zurück. In dieser Erzählung finden sich Apollonius und seine Tochter und zum Schluß auch seine Gattin Lucina wieder, und zwar fand das letzte Ereignis im Dianatempel zu Ephesus statt, wo Lucina als oberste Priesterin achtzehn Jahre unerkannt gewirkt hat. Dies bot Shakespeare den romantischen Rahmen für seine Komödie: auch die Mutter des Bruderpaares lebt als Oberpriesterin, als Äbtissin, in Ephesus und wird am Schluß ihrem Gatten und ihren Söhnen wiedergegeben. Das wurde nun für Shakespeare auch zum Anlaß, die Handlung von Epidamnus, wo die ,,Menaechmen" spielen, nach Ephesus zu verlegen. Ein ernster Ton kommt mit dieser Romantik in das Lustspiel hinein, eine lyrische Weichheit, die dem jungen Dichter besonders in diesen Jahren eigen war. Er fügte nun noch eine wirkliche Liebesszene ein, voll reiner, tiefer Empfindung, zwischen der Schwägerin des Ephesiers - die vielleicht ihren Namen Luciana von Lucina, der Gemahlin des Apollonius, herleitet -und seinem Zwillingsbruder, Dabei befand er sich wieder im Einklang mit dem höfischen Geschmack, der ein Lustspiel ohne Liebesszene nicht gutgeheißen hätte. Dafür, daß die Posse auch am Schluß zum Recht kommt, sorgte die großartig lächerliche Figur des teufelbannenden Doktor Zwick, die in ihrer hin-reißenden passiven Komik auf die Traditionen der italienischen Buhne zurückzuweisen scheint.

Die ,,Komödie der Irrungen" ist mit ausgezeichneter Kenntnis der Bühne geschrieben und verfehlt deshalb nie ihre Wirkung auf das Publikum, das über die lustige Situation lacht, ohne sie lange auf ihre Wahrscheinlichkeit zu prüfen. Eine Schwierigkeit für die Aufführung liegt natürlich darin, die zwei Antipholus so auszustatten, daß auch der Zuschauer sie gelegentlich verwechselt. Im antiken Drama kam diese Schwierigkeit nicht so zur Geltung. Bei den Sklaven behilft man sich heute manchmal damit, daß man sie schwarz färbt: das ist zwar nicht shakespearisch und noch weniger plautinisch, erleichtert aber die Irrungen ungemein. Das Lustspiel ist 1777 in einer deutschen Bearbeitung erschienen, die dadurch allein interessant ist, daß sie den Schauplatz nach Deutschland verlegte: Reichard von Berlin und Reichard von Hamburg ist aus den beiden Antipholus geworden.

Das Stück wird bei uns selten gespielt.

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