Entstehung: |
1607 |
Buchhändlerregister: |
20. Mai 1608 |
Erste Veröffentlichungen: |
1623 im Ersten Folia |
Erste
Aufführungen |
Nicht bekannt |
|
Information
Antonius & Cleopatra
Shakespeare setzt die Geschichte des Weltreichs, die er in
"Julius Cäsar" behandelt hatte, fort, aber
er sieht sie jetzt anders als ein Jahrzehnt zuvor. Der politische
Hintergrund ist noch größer angelegt; auf ihm erheben
sich ein Mann und ein Weib, die das Schicksal ihrer Welt in
der Hand halten:
"Macbeth", "Othello", aus der kleinen
Sphäre in das weite Feld übertragen, wo der Kampf
um die Herrschaft des Erdkreises entschieden wird.
Der tapfere Krieger Macbeth unterliegt dem
Ehrgeiz einer starken, entschlossenen Frau, die ihn auf den
Weg des Verbrechens führt.
Der ehrliche Soldat Othello geht zugrunde
in der ihm fremden Welt der Intrige.
Antonius, der ein ehrlich tapferer Kriegsmann
ist wie diese beiden, verliert die halbe Welt, die sein war,
durch die blinde Leidenschaft für eine Frau, die sämtliche
Waffen ihres Geschlechts in der Hand hält; die streng
erzogene Römerin fällt durch die von allem Luxus
des Orients umstrahlte braune Ägypterin.
Das Thema ist mit "Macbeth" und "Othello"
verwandt. Shakespeare kannte das Leben des Marcus Antonius,
wie es ihm sein Plutarch in der englischen Übersetzung
von North bot. Jetzt interessierte es ihn erst von dem Zeitpunkt
an, wo Antonius mit Kleopatra zusammentraf. Die griechische
Königin auf dem Thron der Pharaonen zählte damals
26 Jahre, war aber schon bekannt als die Geliebte des großen
Cäsar und des jüngeren Gnaeus Pompejus. Von bezaubernder
Schönheit und Liebenswürdigkeit naht sie sich dem
Sieger Antonius in der Gestalt der Venus, umgeben von märchenhafter
Pracht, auf dem kilikischen Flusse Kydnos, im Vollbewußtsein
ihrer Unbesiegbarkeit. Zwölf (nach Plutarch vierzehn)
Jahre lebt nun Antonius mit der Königin Ägyptens
zusammen in rauschendem Jubel. Aber dieses orientalische Märchendasein
wird mehrmals lange unterbrochen durch Züge nach Asien
wie nach Italien und Griechenland. Des Antonius herrschsüchtige
Gattin Fulvia und sein Bruder Lucius führten auf eigene
Faust Krieg gegen den weltklugen Politiker Octavius Cäsar.
Doch Fulvia starb plötzlich, und Antonius konnte sich
mit seinem jungen Rivalen aussöhnen.
Die ganze Herrschaft der römischen Welt teilen nun die
Triumvim von neuem unter sich, der Soldat Antonius, der Staatsmann
Octavius und der unbedeutende Lepidus. Und zur Besiegelung
des Bundes vermahlt sich Antonius mit der SchweSter des Cäsar,
mit Octavia, einer schönen, klugen und tapferen Römerin,
die eben Witwe geworden war. Auch mit Sextus Pompejus, der
durch seine Piraten die See beherrscht, wird Friedegeschlossen,
und Antonius zieht nach Osten in seinen Reichsteil.
In Athen residiert er mit seiner neuen Gemahlin. Doch bald
erheben sich wiederum Zwistigkeiten zwischen ihm und dem jungen
Cäsar, die Octavia vergeblich beizulegen sucht. Während
sie mit ihren kleinen Kindern in Rom weilt, muß Antonius
nach Syrien in den Krieg mit Asiens Völkerschaften. Dort
aber packt ihn die alte Leidenschaft für Kleopatra so
mächtig, daß er sie zu sich ruft und sie mit Königreichen
beschenkt, als sie wirklich kommt. Und nun ist er nur noch
ihr Geliebter, ihr Sklave, dessen ganzes Dasein von ihr allein
beherrscht wird. Sogar in seinen Feldzügen richtet er
sich nur nach seiner Liebe. Deshalb mißlingt die in
großem Stil unternommene Expedition nach Parthien und
Armenien, und er muß unter unsäglichen Mühsalen
unverrichteter Dinge wieder zurückkehren.
Die Sehnsucht nach Kleopatra zwingt ihn zu furchtbar verlustreichen
Eilmärschen im strengen Winter. Ein zweiter Feldzug wird
zu günstiger Zeit nicht unternommen, weil sich der Imperator
nicht von der Agypterin trennen kann. Als seine Gattin Octavia
zu ihm ziehen will, schickt er sie wieder nach Rom zurück.
Den Söhnen aber, die ihm Kleopatra geboren, schenkt er
die eroberten Länder Asiens und ernennt sie zu Königen
der Könige. Es kommt zum Krieg mit Rom. Antonius rüstet
zu Ephesus mit Kleopatras Hilfe eine große Flotte aus.
Dann läßt er sich auf den dringenden Rat seines
Unterfeldherrn Domitius Enobarbus bewegen, die Geliebte nach
Agypten zurückzusenden, damit sie dort den Ausgang des
Kampfes erwarte. Aber Kleopatra fürchtet seine Wiedervereinigung
mit Octavia und weicht deshalb nicht von seiner Seite.
Inzwischen ist Antonius in Rom des Reichs für verlustig
erklärt worden, das nicht er beherrsche, sondern Kleopatra.
Antonius hat doppelt soviel Schiffe wie sein Gegner, aber
keine Matrosen. Das Gegebene war daher für ihn ein Kampf
zu Lande, aber auf den Wunsch der Kleopatra, deren Wehrmacht
hauptsächlich auf der Flotte beruhte, entscheidet er
sich für die See. Die Vorzeichen sind ihm ungünstig:
Heiligtümer stürzen ein, und Schwalben nisten auf
der "Antoniade", dem ägyptischen Admiralschiff.
Seine Heerführer Canidius und Enobarbus warnen vergeblich
vor einem Seekampf, und der letztere verläßt ihn
schließlich, um zu Octavius überzugehen. Da sendet
ihm der wie immer großdenkende Antonius noch sein Gepäck
nach, und Enobarbus stirbt bald darauf, von Reue erfaßt.
Es kommt zur Schlacht bei Actium; beide Gegner halten sich
die Waage; da flieht plötzlich in nervöser Angst
Kleopatra mit der ägyptischen Flotte dem Peloponnes zu.
Und Antonius, gänzlich sinnlos vor Liebe, läßt
Schlacht und Flotte und Heer im Stich, um nur bei ihr zu sein.
Erst als alles verloren ist, erwacht er. Zunächst sieht
er Kleopatra überhaupt nicht, sondern setzt sich am Bug
des Schiffes nieder, das Gesicht mit den Händen bedeckend.
Und drei Tage lang spricht er kein Wort. Endlich bringen die
Frauen der Königin sie und Antonius dazu, miteinander
zu sprechen. Dann schenkt er seinen Freunden ein Schiff mit
Schätzen und bittet sie, ihn zu verlassen. Er selbst
lebt wie Timon der Misanthrop auf einer einsamen Insel vor
der Stadt Alexandrien. Plötzlich kehrt er wieder zurück
zu seiner Geliebten und stürzt sich blind in einen Strudel
von Ver gnügungen, um zu zeigen, daß ihm das Unglück
nichts anhaben kann. Doch auch Kleopatra weiß jetzt,
daß ihr Ende naht, und trachtet durch Versuche an Verbrechern
ein Gift zu erkunden, das ohne Schmerzen sogleich tötet:
sie findet es schließlich im Biß der Natter. Inzwischen
fallen immer mehr Anhänger ab. Nur den Lehrer seiner
Kinder, Euphronius, kann Antonius noch zum Cäsar senden,
um ihn zu bitten, daß er selbst als Privatmann zu Athen
leben dürfe und Ägypten der Kleopatra für ihre
Kinder erhalten bleibe. Diese Bitte schlägt der Sieger
ab, sendet vielmehr den Thyrsus (in der englischen Obersetzung
und bei Shakespeare heißt er Thyreus) zu Kleopatra,
der sie zur Auslieferung des Antonius bewegen solle. Als der
Gesandte von der Königin freundlich aufgenommen wird,
läßt ihn Antonius, rasend vor Eifersucht, peitschen
und schickt ihn zurück zu Octa vius. Dieser schlägt
nun sein Lager in der Nähe von Alexandrien auf. Da macht
Antonius einen Ausfall und treibt die feindlichen Truppen
zurück. Stolz kehrt er als Sieger heim zur Geliebten.
Aber der Erfolg ist nicht von Dauer, und er selbst ahnt sein
Ende. Er zieht am nächsten Morgen aus zur zweiten Seeschlacht
und wird in den Nilniederungen wieder gänzlich geschlagen.
Seine eigenen Leute hatten ihn wegen dunkler Vorzeichen verlassen
und waren zu Octavius übergegangen. So muß er in
die Stadt zurückfliehen und schreit wütend, daß
Kleopatra ihn verraten habe. Diese, voll Angst vor seiner
Raserei, schließt sich in ihr Grabmal ein und läßt
ihm sagen, sie sei tot. Da faßt ihn die alte Liebe wieder,
und er sucht nun gleichfalls den Tod. Er befiehlt seinem treuen
Diener Eros, ihn zu erstechen; aber dieser tötet sich
lieber selbst. Nun stürzt sich Antonius in sein Schwert.
Aber er ist nicht tot, und als er erfährt, daß
Kleopatra lebe, läßt er sich in ihr Monument bringen,
um bei ihr zu sterben. Die Königin, die nicht mehr wagt,
das Gewölbe zu öffnen, zieht mit ihren Frauen den
herkulisch gebauten Mann zu einer Fensteröffnung hinauf.
Dann zerreißt sie ihre Kleider und zerkratzt sich das
Gesicht und klagt um ihren Herrn und Gatten. Antonius bittet
sie, mit ihren Klagen aufzuhören, und nachdem er sich
durch Wein gestärkt, rät er ihr, womöglich
ihr Leben zu erhalten, nur dem Proculejus zu trauen und nicht
um ihn zu klagen, der ja ehrenvoll sterbe, ein Römer
vom Römer über wältigt. Auch Octavius beklagt
den Tod des früheren Freundes, als ihm das blutige Schwert
des Antonius überbracht wird. Zu Kleopatra aber sendet
er den Proculejus, denn er will ihre Schätze und sie
selbst, um sie in seinem Triumph aufzuführen. Sie gibt
ihm ein Verzeichnis ihrer Schätze, auf die es der Römer
am meisten abgesehen hatte. Kleopatra ist entschlossen zu
ster ben, besonders seit sie durch den ihr freundlich gesinnten
Cornelius Dolabella erfahren hat, daß der siegreiche
Cäsar, trotz aller schönen Worte, sie in seinem
Triumphzug mitführen wolle. Nachdem sie dem toten Geliebten
noch die letzten Ehren erwiesen hat, schmückt sie sich
festlich und speist in allem Staat. Während des Essens
bringt ein Bauersmann einen Korb mit Feigen. Sie sendet noch
einen Brief an Octavius mit der Bitte, sie an der Seite des
Antonius zu bestatten, und als der Imperator schleunigst seine
Boten zu ihr schickt, finden diese sie schon tot. Eine Natter,
hieß es, sei auf Kleopatras Befehl unter den Feigen
verborgen gewesen und habe sie durch einen Biß in den
Arm getötet.
Octavius bestimmt ihr ein vornehmes Begräbnis an der
Seite des Antonius.
Das ist die Darstellung, wie Shakespeare sie vor Augen hatte,
als er sein Drama schrieb. Der Dichter folgt seinem Gewährsmann
treu; wo er Abweichungen anbringt, können wir sicher
annehmen, daß er es bewußt getan hat. Als unwesentlich
für die Liebesgeschichte, auf die es ihm ja zunächst
nur ankommt, läßt er die breite Schilderung des
parthischen Feldzugs weg. Er muß die zehn Jahre bei
Plutarch zusammenpressen in eine kurze Bühnenperiode;
wir merken nicht mehr, daß eine lange Zeit zwischen
der Vermählung des Antonius mit Octavia und der Schlacht
bei Actium liegt. So fällt auch die Zeit weg, die Antonius
nach der Schlacht als Menschenhasser Timon einsam verlebt.
Der ganze erste Akt dient fast nur der Charakterzeichnung.
Wir lernen Kleopatra kennen in all ihren Launen, wahren und
erkünstelten: kokett und verliebt, berechnend und leidenschaftlich,
verträumt und aufgeregt, schmollend und schmeichelnd,
Königin und Dirne. Shakespeare hat hier vielleicht sein
genialstes Frauenbild geschaffen. Sie ist so ganz anders als
die Gestalten seiner jüngeren Jahre, sie hat nicht die
Weichheit der Julia, nicht das reine, helle Lachen der Viola,
nicht den klaren Blick der Portia: sie ist weder die heilige
Märtyrerin der Liebe, als welche sie noch Chaucer gepriesen
hatte, noch eine der har ten, großen, tatkräftigen
Frauen, wie sie die mächtigen Tragödien der jüngstvergangenen
Jahre einführten.
Shakespeare folgt dem realistischen Plutarch, sieht aber
das Weib edler, königlicher als der Grieche. Das muß
betont werden gegenüber der Auffassung mancher Kritiker,
Shakespeare habe "keinen für Kleopatra ungünstigen
Zug des Plutarch übergangen". Die Königin des
Dramas zerreißt nicht in orientalischer Manier ihre
Kleider, zerkratzt sich nicht Gesicht und Leib, um ihrem Schmerz
Luft zu machen. Sie vergißt nie, daß sie von Königen
abstammt. Ihre Treue gegen Antonius wird nur einmal wankend:
als nach der Schlacht bei Actium Octavius sie durch Thyreus
zum Abfall bewegen will. Thyreus war nach Plutarch "ein
sehr weiser und kluger Mann", "er brachte ein vertrauliches
Schreiben von einem jungen Herrn an eine edle Dame, deren
Schönheit jener sehr hoch schätzte, und wurde sie
durch seine Redekunst leicht den Plänen des Octavius
geneigt machen können. Er pflog eine längere Unterhaltung
mit ihr als irgendein anderer Mann, und die Königin selbst
erwies ihm auch hohe Ehre". Später tat Kleopatra
alles, um sich von dem Verdacht des Verrats zu reinigen.
Bei Shakespeare sendet sie dem siegreichen Imperator eine
Botschaft voll Ergebenheit, sie schmeichelt dem Feinde und
läßt Thyreus ihre Hand küssen. Aber dieser
Verrat wird uns dadurch menschlich nähergebracht, daß
- abweichend von Plutarch unmittelbar vorher Enobarbus, des
Antonius treuester Gefolgsmann, den Abfall von seinem Herrn
plant. Als Antonius nach der zweiten verlorenen Schlacht,
ganz ungerechtfertigt, seine Wut an Kleopatra ausläßt,
sucht sie - die diesmal wirklich schuldlos ist, bei Shakespeare
wie bei Plutarch - den Wahnsinnigen dadurch zu besänftigen,
daß sie sich für tot ausgibt. Auch hier haben neuere
Kritiker der Königin mehr Schuld zugeschrieben als der
humane Dichter und sein Gewährsmann.
Noch weniger als Plutarch sieht Shakespeare in ihr nur die
verworfene Dirne, die vom strafenden Schicksal ereilt wird.
Der rauhe Soldat Enobarbus ist es, der uns sagt, wie Kleopatras
schönes, liebenswürdiges Wesen alle gefangennimmt,
so "daß die heil'gen Priester sie segnen, wenn
sie buhlt". Von dem Augenblick an, da Antonius tot vor
ihr liegt, ist auch Kleopatra entschlossen, zu sterben. Und
in diesem Entschluß wird sie nicht mehr wankend. Die
Behauptung des Gegenteils, sowie die, daß sie ihr Netz
noch nach dem siegreichen Octavius auswerfe, ist ganz unbegründet.
Bei Shakespeare geht Kleopatra ebenso mutig und viel schöner
und königlicher in den Tod als Antonius. Antonius ist
von Shakespeare nicht viel anders dargestellt als von Plutarch:
als der Soldat, der durch die blinde Leidenschaft für
Kleopatra gelähmt ist und nur für Momente noch die
alte Kraft des Handelns beherrscht. Noch mehr als bei Plutarch
zeigt er im tiefsten Unglück wieder echte Heldengröße.
An den Antonius aus seinem "Julius Cäsar"
denkt Shakespeare nicht mehr; hier finden wir keine
Spur von der Advokatenschlauheit des demagogischen Politikers,
die dort den Grundzug seines Charakters ausmachte.
Freier schaltet der Dramatiker mit den Nebenfiguren. Octavius
Cäsar ist der kalte, berechnende Staatsmann, der aber
doch gute Ursache zu seiner Feindschaft gegen Antonius hat.
Sein Auftreten ist stets hoheitsvoll: "Denkt auch nicht,
Cäsar sei Han delsmann, mit Euch zu dingen um Kaufmannswaren
-" sagt Shakespeare im direkten Gegensatz zu seiner Quelle,
wo Octavius hauptsächlich die Schätze der Kleopatra
im Auge hat. Das Geschick des verblendeten Antonius ergreift
uns noch mehr, wenn auch sein Gegner Seelengröße
zeigt. Freilich, daß er Kleopatra durch List und Lüge
fangen will, hat auch Shakespeare beibehalten: die edle Absicht
des Weibes erweist sich starker als die unedle des Mannes;
durch ihren Tod siegt Kleopatra über den Cäsar.
- Die Anderurigen Shakespeares in der Zeichnung der Octavia
sind noch viel stärker. Das Muster edler Weiblich keit,
als das sie bei Plutarch auftritt, scheint den Dichter nicht
interessiert zu haben. Er wollte nicht Antonius wählen
lassen zwischen der trefflichen, treuen Gattin und der egoistischen
Ko ketten, sondern zwischen der Ehe aus politischen Gründen
und der heißen sinnlichen Liebe. Deshalb wird Octavia
ähnlich geschildert wie ihr Bruder: kalt, leidenschaftslos,
verständig. Eine solche Frau kann unmöglich den
Geliebten,der Kleopatra fes seln. Daß sie dem Antonius
Kinder geboren hatte, daß sie nicht nur für diese,
sondern auch für seine Kinder aus erster Ehe treu und
tapfer sorgte, davon erfahren wir in dem Drama gar nichts.
So bleibt dem Helden unsere Sympathie unverkürzt: er
steht größer da als der Antonius des Plutarch.
Ganz selbständig gestaltet hat Shakespeare die Figur
des Domitius Enobarbus, der bei Plutarch gar keine Rolle spielt.
Er wird zum verständigen Freund des Helden, zum ruhigen
Spiegel der Handlungen des Feldherrn und seiner Geliebten.
Shakespeare verlegt dessen Abfall - nach Plutarch vor der
Schlacht bei Actium - an den Schluß des Dramas, um so
eine scharfumrissene Katastrophe zu bekommen. Auch die Figuren
von Kleopatras Dienerinnen Iras und Char mion, sowie die des
Eunuchen und des Alexas, die alle den leichtlebigen, sinnlichen
Ton am Hof der Kleopatra in verschiedenen Stimmen ausdrücken,
sind fast ganz freie Schöpfungen des Dichters.
Neben dem schon erprobten freieren Blankvers des Stückes
spielt auch die Prosa eine Rolle. Enobarbus, der nüchterne
Krieger, der nur die ruhige Vernunft gelten läßt,
bedient sich im ersten Teil des Dramas meist der Prosa; nur
wenn ihn einmal auch die Begeisterung packt, wie bei der Schilderung
der Kleopatra, spricht er in Versen. Aber von der Schlacht
bei Actium an wird auch Enobarbus zur pathetischen Figur.
Unser Dichter ist nicht der erste, der ein englisches Drama
über die Liebe des Triumvirs zur Königin Ägyptens
schrieb. Schon vor ihm hatte die Gräfin Mary Pembroke,
die Mutter der beiden Grafen, denen wegen ihrer freundlichen
Gesinnung gegen den Dichter und sein Werk die große
Folio-Ausgabe von Shakespeares Dramen gewidmet ist, die Tragödie
"Marc-Antoine" von Robert Garnier ins Englische
übertragen, und ihr Schützling Samuel Daniel hatte
1594 eine Tragödie "Kleopatra" geschrieben.
Aber Shakespeare zeigt keinerlei Beeinflussung durch diese
vierzehn Jahre früheren klassizistischen Lesedramen.
Franz Schubert hat die Musik zu "Komm, du König,
weinbekränzt" (11, 7) zusammen mit "Horch,
horch die Lerch"' (Cymbelin) und "Wer ist Silvia"
(Die beiden Veroneser) am gleichen Abend komponiert. (Kreissle.)
Das Stück wird sehr selten aufgeführt.
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