Die Autorenfrage
Indizien gegen Shakespeare
12 July 1602
James Robertes. Entred for his Copie under the handes of master
PASFEILD and master waterson. A booke called 'the Revenge of HAMLETT
Prince Denmarke' as yt was latelie Acted by the Lord Chamberleyne
his servantes.
(Arber III.212).
Das ist die Anmeldung von Shakespeares "Hamlet" zum Druck
bei der Stationers' Corporation durch den Drucker James Roberts.
Im Prinzip musste jedes Buch vor Veröffentlichung der Stationers'
Company vorgelegt werden. Dieses Register ist von ca. 1570 bis 1642
von Edward Arber transkribiert und gedruckt worden: Arber's Transcript...
Die Stationers' Company oder Corporation war nichts anderes als
die Zunft oder Gilde der Drucker, Verleger und Buchhändler.
Damit du bei dieser trockenen Materie nicht schon jetzt einschläfst,
will ich die Möglichkeit andeuten, dass man da, wo bisher noch
fast niemand hingeschaut hat, was finden können, was bisher
noch niemand gefunden hat. Aber die Aufregung einer möglichen
Entdeckung wird noch eine Weile auf sich warten lassen.
So, wie bei "Hamlet", sahen die Eintragungen aus, mit
gewissen Zusätzen und Variationen.
Aber wer ist dieser Master (Zachariah) Pasfield, der die Kopie zur
Freigabe abgezeichnet hat ("under the hands")? Er ist
der Zensor ("corrector" wurde es damals genannt), der
hier stellvertretend für den Bischof von London oder den Erzbischof
von Canterbury das Plazet der Zensur gegeben hat, denn zuständig
für die Zensur waren diese beiden Bischöfe (außer
für einige wenige Gebiete, die man hier außer Acht lassen
kann). Auf diese Zuständigkeit wird in dem Register der Drucker-,
Bücherhändler- und Verlegergilde, der Stationers' Company
(im Folgenden abgekürzt: SC) als "authority" verwiesen.
Wer war Master Waterson, warden? Die SC war zwar keine Firma, keine
Corporation im modernen Sinne, aber sie war mit zwei Führungsgremien
ausgestattet, die man durchaus als Aufsichtsrat und Vorstand bezeichnen
könnte. Der "Aufsichtsrat" hieß Court of Assistants
(Assistentengericht), bestand aus den führenden Zunftmitglieder,
tagte nur zu gewissen Terminen im Jahr. Das Wort "Court"
ist durchaus als Gericht zu verstehen: sie entschieden über
strittige Fälle von copyright und über andere Dinge; sie
konnten ungehobelte Mitglieder bestrafen und verfügten dafür
gar über ein eigenes Gefängnis. Das Tagesgeschäft
lag bei den drei jährlich neu gewählten "wardens",
"Wächter" oder "Aufseher", aber eigentlich
müsste man sie mit dem heutigen Vorstand vergleichen. Eine
der Hauptfunktionen war, darüber zu wachen, dass bei den Eintragungen
kein bereits bestehendes Copyright eines Verlegers verletzt wurde.
Wäre "Hamlet" schon eingetragen gewesen, sie hätten
es zurückgewiesen. Wären sie sich unsicher gewesen, so
hätten sie "Hamlet" mit einem Vorbehalt eingetragen,
der dann so gelautet hätte "if this is no other mans right"
- oder ähnlich. Es gab drei "wardens": the master
of the wardens, the upper warden, the under warden. Alle drei waren
befugt, Bücher zur Anmeldung ("entry") zuzulassen.
In unserem Fall war es der master of the wardens, Simon Waterson.
Im Prinzip musste jedes Buch der Zensur (die übrigens ziemlich
lasch gehandhabt wurde) vorgelegt werden. Das geschah jedoch nicht
immer. War es nicht geschehen, konnten die wardens entscheiden,
das Buch ohne eine solche Prüfung zu genehmigen. Oder sie konnten
entscheiden, dass es doch erst der Zensur vorgelegt werden müsse.
Dann finden wir eine Klausel dieser Art : "if he get better
authority". Die "authority" der Zensur nämlich.
Mit dieser Eintragung gehörte das Coypright dem Drucker James
Roberts, der es später einem anderen übertragen, aber
den Hamlet drucken wird. Im Jahr 1604. Roberts ist ein Mann, den
man sich unbedingt merken muss. Er ist eine Schlüsselfigur
in diesem faden Krimi, der vielleicht noch spannend werden kann.
Es gab also die Autorität des Zensors master Pasfield. Es
gab auch die Autorität des Wardens oder der Wardens. Der Zensor
konnte sagen: darf nicht gedruckt werden, ist gegen die offizielle
Religion, die guten Sitten oder gegen sonstwas. Die Wardens konnten
sagen: "ein, Mr Smith, für das Buch kannst du kein Copyright
kriegen, denn das ist schon eingetragen auf Mr Johnson, "entered
to Mr Johnson". Aber es gab noch eine dritte Autorität:
die des Autors nämlich.
Über die Rechte des Autors gibt es zwei unterschiedliche Theorien.
Die eine der Literaturhistoriker, spezieller der Shakespeareforschung.
Und sie lautet: der Verfasser hatte überhaupt keine Rechte,
konnte nicht dagen unternehmen, wenn ein Drucker irgendein Manuskript
von ihm erwischte und es veröffentlichte. Diese Theorie ist
haltlos. Also, Sand darüber. Schließlich sind Literaturhistoriker
keine Experten für altes Verlagsrecht. Dazu kommt, dass sie
sich, wenn überhaupt, nur oberflächlich damit befasst
haben. Das sind Verlags- und Urheberrechtshistoriker. An sie soll
man sich wenden.
Einer von denen, der für die hiesige Problematik besonders
interessant ist, ist Prof. Walter Bappert, Wege zum Urheberrecht,
Frankfurt am Main 1962. Dort insebsondere die Seiten 160ff. und
229ff. Bappert schreibt, dass der Autor zwar kein Urhberrecht im
modernen Sinne hatte, aber doch ein doppeltes Recht hatte: erstens
für seine Manuskript bezahlt zu werden, wie gering immer dieser
Betrag auch gewesen sein mochte. Das war das materielle Recht. Darüber
hinaus hatte er auch ein immaterielles Recht. Er konnte bestimmen,
was in dem Werk zu stehen hatte, er konnte auch bestimmen, ob und
wann es gedruckt werden sollte. Ja, dieses Recht, das auf der Vorstellung
des Autors als Schöpfer seines Werkes beruhte, war nicht nur
bereits Anfang des 16. Jahrhunderts anerkannt, sondern diese Vorstellung
bildete die rechtstheoretische Grundlage für das alleinige
Recht des Verlegers und somit für das Verbot eines anderen
Verlegers, das Werk nachzudrucken. Bappert behauptet nichts weniger,
als dass das Verlagsrecht des 16. Jahrhunderts und danach auf den
Gedanken gegründet war, dass der Autor der Schöpfer, der
geistige Besitzer seines eigenen Werkes war.
Das könnte nun doch interessanter sein, als es zunächst
aussieht. Wenn das in England auch so wäre, wie es Bappert
vorauszusetzen scheint, dann könnte Shakespeare vielleicht
sowas auch mal gemacht haben. Und es wäre vielleicht im Register
der SC zu finden.
Und es war in England auch so. Lyman Ray Patterson hat es für
England untersucht ("Copyright in Historical Perspective",
Nashville 1968). "Simplistisch", nennt er die Meinungen
der Literaturhistoriker oder Bibliographen. Er kommt für England
in der Zeit von 1559 (Gründung der SC) und 1711 (Verabschiedung
des neuen Coyprightgesetzes) zu dem gleichen Schluß. Und führt
auch zahlreiche Beispiele für solche Interventionen durch den
Autor aus dem Stationers' Register und anderen Dokumenten der SC
an.
Solche Interventionen geschahen ohne Zweifel häufiger, als
sie im Register der SC erwähnt sind (vieles wurde damals noch
mündlich geregelt). Aber das Register enthält doch recht
zahlreiche Beispiele. Die Intervention des Autors konnte in unterschiedlicher
Form erfolgen und festgehalten werden. Zum Beispiel als späterer
Zusatz zu der Eintragung, z.B. dass der Verleger ohne Genehmigung
des Autors keine Neuauflage veröffentlichen dürfe. Oder
umgekehrt: dass solange der Verleger nicht die ganze erste Auflage
abgesetzt hatte, der Autor sich enthalten sollte, Änderungen
an seinem Werk vorzunehmen - was dann als neues Werk galt, auf das
das vorige Copyright nicht mehr angewandt werden konnte. Oder einfach
durch einen Zusatzklausel bei der Eintragung, die lauten konnte,
dasd der Verleger, derjenige, auf dessen Namen es eingetragen war,
"should got licence for it". Oder auch, dass das Buch
zwar "dem Verleger sein Copy" (diesen rheinischen doppelten
Dativ "dem seine Frau" war damals in England sehr üblich)
war, er aber es gleichwohl noch nicht in Druck geben und veröffentlichen
konnte.
Auf die doch recht zahlreichen Einzelbeispiele muss ich verzichten,
könnte, falls ich deine E-Mai-Adresse erhielt, eine Datei schicken,
die so ziemlich alle Fälle enthalten dürfte. Bis auf dieses
Beispiel, das ich damals noch übersehen hatte. Hier ist es.
Es handelt sich nicht um ein Stück Shakespeares.
11 Novembris [1601] - John Barnes - Entred for his Copye under
the handes of the wardens uppon condition that yt be lycensed to
be printed/A booke called the untrussinge of the humorous poetes
by THOMAS DECKER.
Man könnte vermuten, dass hier gemeint sei, der John Barnes
müsse sich erst die Lizenz beim Zensor holen, zumal vor 1590
auch die Termini "licence" oder "allowed to"
verwendet wurden. Aber diese bezogen sich meist auf die Genehmigung
durch die Wardens, hieß also, dass das Coypright keinem anderen
Mitglied gehörte. Und diese Genehmigung haben die Wardens hier
gegeben: "under the handes". Dazu kommt, dass ab etwa
1590, einige Jahre nach dem 1586 das neue Pressegesetz ("Star
Chamber Decree")verabschiedet worden war, in dem die zensoriale
Zuständigkeit des Episkopats als "authority" bezeichnet
worden war, für diese Funktion auch ausschließlich das
Wort "authority" verwendet wurde (wie zum Beispiel am
7.2.1603 bei der Eintragung von "Troilus und Cressida").
Die historischen Umstände sprechen außerdem, dass der
Autor von "Satiromastix" mit dem Untertiel "The untrussing
of the humorous poet" (Der humoristische Dichter die Hosen
ausgezogen) Thomas Dekker einige Einwände gegen den sofortigen
Druck haben musste. Der "humorous poet" ist nämlich
Ben Jonson (Anspielung auf seine "Humour"-Komödien).
Nachdem Ben Jonson in der Komödie "The Poetaster",
aufgeführt im Spätsommer oder Frühherbst 1601 Thomas
Dekker und John Marston lächerlich gemacht hatte, revanchierten
sich diese mit "Satiromastix" (Satirenpeitsche), wo sie
Ben Jonson veräppelten. Aber als Dekkers Stück in das
Register der SC eingetragen wurde, hatte, war Ben Jonsons Stück
noch nicht in Druck erschienen, ja wurde erst im Dezember 1601 (gut
einen Monat nach dieser Eintragung) eingetragen. Es bestand also
die Möglichkeit, dass Ben Jonson in die gedruckte Fassung eine
Retourkutsche für das inzwischen aufgeführte Stück
von Dekker und Marston einbauen würde. So dass er mit dem Druck
noch etwas warten wollte, ehe er seine "lycense to be printed"
gab. John Barnes konnte es Recht sein, denn durch die Eintragung
war auf jeden Fall sein Copyright als Verleger gesichert.
Nun ist vielleicht doch etwas mehr Spannung drin. Wenn wir eine
gleiche oder ähnliche Eintragung für ein Stück von
Shakespeare finden könnten und der Name des Autors erwähnt
wäre oder ein anderes Merkmal, dann könnten wir doch sagen:
"Jo, daat is et".
Nein, kein Akt. Das wäre ein schlechtes Stück, wenn die
Schauspieler plötzlich innehalten würden und dem Publikum
erklärten: "Tut uns leid, aber wir haben vorhin vergessen,
einen Teil aufzuführen. Das spielen wir jetzt, es gehört
aber zum vorigen Akt". Warte, wäre vielleicht auch ein
origineller Einfall.
Und vielleicht passt es auch hierhin. Das Einspruchsrecht des Autors
war formell in einer Verordnung - vermutlich aus dem Jahr 1588 -
garantiert. Die Verordnung ist in Arber's Transcript abgedruckt.
Es geht darum, dass wenn alle Exemplare eines Werkes verkauft wurden
und der Verleger keine Neuauflage herausbringt, die SC das Recht
hat, ihn dazu aufzufordern. Hat er dann nach 6 Monaten noch immer
nicht mit dem Druck der Neuauflage begonnen, kann, ohne dass der
Verleger sein Recht verwirkt, im Interesse der Zunftgemeinschaft
eine Druckreihe an einen anderen Drucker vergeben, vorausgesetzt,
der Autor erhebt keinen Einspruch: " so that the Aucthor of
any suche copy be no hinderance thereunto". Wie aus einigen
wenigen Fällen (zwei habe ich festellen können) zu ersehen
ist, galt diese Frist von 6 Monaten wohl auch für Erstverlegungen.
Und jetzt kommt wieder der Drucker James Roberts. Sagte ja, man
muss auf den Mann achten. Er ist wichtig. Der druckte nämlich
auch die Theaterplakate. Er allein hatte das Recht dazu. Stand also
in Verbindung auch mit Shakespeares Ensemble. Am 22. Juli 1598 trägt
er sein erstes Bühnenstück ein: "Der Kaufmann von
Venedig", tritt zwei Jahre später das Recht an einen anderen
ab und druckt das Stück in der 2. Haälfte des Jahres 1600.
Genauso wird er den "Hamlet" erst über zwei Jahre
nach Eintragung (1604) drucken. Wie konnte er so lange warten. Vielleicht
weil "the Aucthor of the copy was hinderance thereunto"?
Man lesen nun den Eintrag genau:
"xxij Iulij 1598 - Iames Robertes /Entred for his copie under
the handes of bothe the wardens, a booke of the Marchaunt of Venyce
or otherwise called the Iewe of Venyce./ Provided that yt bee not
printed by the said Iames Robertes; or anye other whatsoever without
lycence first had from the Right honorable the lord Chamberlen".
Also, es war keine "authority" vom Zensor erfoderlich
(Das Stück "The Jew ov Venice" war ein bekanntes
Stück; schon 1580 - denn es war wahrscheinlich dieses Stück,
das Gabriel Harvey 1579 in einem Brief an Spenser erwähnte
und ein puritanisch gesonnener Mensch namens Stephen Gosson als
eine löbliche Ausnahme anführte). Kein anderes Coypright
an dem Stück existierte. Aber wieder darf es noch nicht gedruckt
werden und es ist offenbar Roberts, der den Wardens mitgeteilt hat,
dass er erst die "lycence" vom Autor haben muss. Das erklärt
auch gleich, warum sich Roberts soviel Zeit mit dem Druck lassen
konnte, ohne Einspruch de SC befürchten zu müssen.
Aber dann haben wir den Autor doch. Oder fast. Es war der Lord
Chamberlain. Doch deren gab es 1598 zwei. Der erste war Henry Cary,
1.Baron Hunsdon, der Schirmherr von The Chamberlain's men, Shakespeares
Ensemble. Meist war er es, der kurz als Lord Chamberlain bezeichnet
wurde. Ein Mann, der mit Literatur wenig im Sinn hatte.
Der andere war Edward de Vere, 17. Earl of Oxford, Lord Great Chamberlain
of England, der gelegentlich aber auch einfach als Lord Chamberlain
bezeichnet wurde. Und der offenbar doch auch mit Shakespeares Ensemble
etwas zu tun hatte, denn er hatte eine Schauspieltruppu, The Earl
of Oxford's Men. Nichts ist darüber bekannt, ausser zwei Stücke.
Wer dazu gehörte, weiß man nicht. Oder doch? Als Anfang
1602 ein eneues Ensemble aus den beiden Ensembles von den Grafen
von Oxford und Worcester gebildet wird, das wenig später unter
James I. zu dne Queen's Men wird, treten einige Schauspieler dieses
Ensembles als Zahlungsempfänger in Erscheinung. Und vier der
fünf bekannten Namen (ich nenne sie: Robert Palandt, Christopher
Beeston, William Kempe und - ich glaube - John Duke; der fünfte
war der Schauspieler-Autor Thomas Heywood) gehörten vorher
zu Shakespeares Ensemble, zu den Chamberlain's Men (ich habe das
ausführlicher im 3. Band des "Neues Shake-speare Journals
analysiert).
Muss man nicht sagen: da ist er, der Autor.
Ach, das will ich nicht sagen. Sicher ist aber, dass sich der viese
Graf von Oxford gegegenüber James Roberts als den Autor vom
Kaufmann von Venedig ausgegeben hat.
Aber es kommt noch mehr. James Roberts ist zu würdigen.
Ja, schreibt der bekannte Bibliograph und auch höchst verdienstvolle
Literaturwissenschaftler Walter W. Greg über die Theorie seines
Freundes A.W: Pollard (auf Literaturangaben wird hier verzichtet,
sie können jeerzeit nachgereicht werden), Pollard habe zwar
keine so stichhaltige Theorie für die von ihm zuerst festgestellte
Rolle von James Roberts gehabt, aber in der langen Frist könnte
er vielleicht doch Recht behalten. Denn dieser Roberts habe vorher,
vor der Zeit 1598 bis 1604, und niemals mehr nachher ein Bühnenstück
gedruckt, und auf einmal ist er fast nur noch mit Stücken aus
dem Repertoire von Shakespeares Ensemble beschäftigt.
Greg ist nicht ganz genau: Roberts meldete nur noch Stücke
von Shakespeares Ensemble an, aber DRUCKEN tat er von 1600 bis 1604
nur Stücke von William Shakespeare. Und nichts anderes mehr,
obwohl er von 1594-1599 zahlreiche andere Werke druckte. Bis auf
eine Ausnahme, den Gedichtband "England's Helicon", aber
auch der steht in einem gewissen Zusammenhang mit Shakespeare ...
und mit Edward de Vere. Der Band enthält ein einziges Gedicht
unter dem Namen Shakespeare, ein Gedicht aus Love's Labour's Lost.
Und gleich darauf folgen zwei Gedichte unter dem Pseudonym "Ignoto",
das italienische Wort für "Unbekannt". Das zweite
Gedicht weist große Ähnlichkeit mit dem abgedruckten
Gedicht unter dem Namen Shakespeare auf.
Adelige veröffentlichten nicht unter eigenem Namen. Standescodex.
Ja, sie mieden, zumindest äußerlich, jede Einmischung
in etwas, das als Handwerk galt. Die Druckergilde zum Beispiel.
Francis Bacon hat einmal interveniert, für seine "Essays"
(1597).Er war im eigentlichen Sinne kein Adeliger, er war nicht
mal Knight (Ritter), aber er war ein Hofmann, ein sicherer Kandidat
für einen späteren Adelstitel (den er dann auch nachher
bekam). Bacon entschuldigt sich fast gegenüber seinem Bruder,
dass er bei der SC interveniert hat, um eine ihm nicht genehme Fassung
zu unterbinden. Die vom Adel verlangte Haltung war: äußerliche
Gleichgültigkeit. Der Adelige konnte daher nicht offen von
diesem Recht Gebrauch machen, von diesem doppelten Recht; das Recht,
für seine Werk bezahlt zu werden, ein Eigentumsrecht, das auf
die Erben überging, und auf das immaterielle, personengebundene
Recht, Inhalt und Druckzeitpunkt seines Werkes zu bestimmen. Tat
er es doch, wurde das von den Stationers anerkannt. Das erklärt
auch, weshalb bei weitem die meisten Raubdrucke Werke von hochrangigen
oder verstorbenen Autoren sind. Shakespeare gehörte 1598 dazu,
zu den hochrangigen .Es ist deshalb auch die Vorstellung falsch,
der Lord Chamb
erlain, George Carey, der 2. Baron Hunsdon, hätte seinen Rang
dazu benutzt, den Druck vom Kaufmann von Venedig hinauszuzögern.
Das würde er aus Standesrücksichten nicht tun. Und die
SC hätte völlig unbestraft, seinen Schritt ignorieren
können und auch ignoriert. Man stelle sich eine Ständegesellschaft
ein wenig wie eine indische Kastengesellschaft vor (der Vergleich
stammt von Max Weber). Die Eliten haben wichtige Privilegien, müssen
aber aus Standesrücksichten auch manche Einschränkungen
beachten. Für das England des 16. Jahrhunderts war das u.a.:
keine Einnahmen aus handwerklichen (und dazu wurden auch Händler
gerechnet), keine andere Ehre anstreben, als die, dem Staat, genauer:
dem Fürsten politisch und militärisch zu dienen. Solange
die SC nicht gegen bestehende Gesetze verstieß, war sie eine
souveräne Körperschaft, in die er kein Adeliger hineinreden
konnte und- aus besagten Standesrücksichten - nicht hineinreden
würde. Aber als Autor hatte der Lord Chamberlain wie jeder
andere das Recht, den Zeitpunkt des Druckes eines Werkes zu bestimmen.
Was am 22. Juli 1598 geschah.
Und am 22. Juli 1598 tritt James Roberts zum erstenmal als Anmelder,
1600 als Drucker von Shakespeare-Werken in Erscheinung. Er lässt
sich, wie gesehen, lange, lange Zeit mit dem Druck. Mehr als zwei
Jahre für den Kaufmann von Venedig und Hamlet, Troilus und
Cressida meldet er am 7. Februar 1603 an und druckt es überhaupt
nicht mehr. Normal erscheint ein Werk 2-3 Monate nach der Eintragung
im Druck! Roberts wartet auf Shakespeare, der die Edition seiner
Werke beaufsichtigt. Offen edieren konnte er selbst nicht. Und das
kann man ja alles über Shakespeare auch in den Vorworten zum
Folio von 1623 nachlesen: u.a. das der Tod ihm das Recht raubte,
die Herausgabe seiner Werke zu überwachen, dass er sie nicht
selbst edieren konnte, dass er kein Gewinn suchte, auch keinen ewigen
Ruhm, usw.
Und wann hört Roberts auf, für Shakespeare Werke anzumelden
und zu drucken? Wann meldet er kein einziges Werk von Shakespeare
an, druckt kein einziges Bühnenstück mehr? Ab 1604. "Hamlet"
beschließt diese seine Tätigkeit. "im 3. Band des
"Neues Shake-speare Journal" habe ich das ausführlicher
dargelegt, die Sache mit "Hamlet". Auf der Titelseite
liest man "according to the true and perfect copy". "Nach
dem wahren und volkkommenen Manuskript" gedruckt. Dieses "according
to the true copy" ist immer dann die Versicherung des Verlegers,
wenn der Autor selbst nicht mehr darüber befinden kann. Dann
macht diese Versicherung Sinn und dann steht sie auch immer auf
der Titelseite. "Hamlet" wurde gegen Ende des Jahres 1604
gedruckt. Im Juni 1604 war Edward de Vere gestorben.
James Roberts' Auftrag war zu Ende.
Robert Detobel am 15. Juli 2000
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